Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das blaue Buch - Roman

Das blaue Buch - Roman

Titel: Das blaue Buch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
Vom Netzwerk:
werden es hinbekommen, dass es keine Nachfragen mehr gibt – nichts darüber, was Derek und ich tun oder lassen, oder wie.
    Es geht niemanden was an, wen ich ficke.
    Oder dass ich ficke.
    Und ich ficke – wir tun es – wir ficken.
    Lockwoods Stimme klingt immer noch in dem Verb nach, sein Geschmack – darum versucht sie, ihm damit zu trotzen.
    Derek ist wie ein Kind, wenn wir ficken – wenn wir denn ficken – und wenn er fertig ist, wenn wir angekommen sind, ist er ganz begeistert, wie ein Junge – so als hätte er irgendeinen Trick gelernt und vorgeführt, und man wäre ehrlich verblüfft gewesen.
    Süß.
    Nicht dass er irgendwelche Tricks kennen würde.
    Aber trotzdem süß.
    Irgendwie.
    Süß beschreibt es ganz gut.
    In der Ferne des Schiffsrumpfs schaben und jaulen Maschinenteile, die sie nicht benennen kann. Gelegentlich hört man große Wassermassen gegen die Bugwände krachen, und – auch wenn sie das jetzt nicht sagen darf – dieses Gefühl von Aufruhr ist erfreulich, genau worauf sie gehofft hat. Sie wollte den Lärm und Kampf einer echten Reise, wo etwas Großes erreicht wird.
    Derek ist im Gegensatz dazu viel leiser als vorher, und sie nimmt an, dass er eingeschlafen ist.
    Gut. Dann kann ich ja aufhören, ihn vergeblich aufzumuntern.
    Ihre Bemühungen waren größtenteils nutzlos und uninspiriert. Sie hat das Bad saubergemacht, ihm ein kühles Tuch auf die Stirn gelegt – was ihm gefiel – sein Wasserglas neu gefüllt.
    Was ihm nicht gefiel – das Wasser ist gleich wieder hochgeschossen, kaum dass er es getrunken hatte.
    Schrecklich, wie traurig ihn das Ganze macht – ein Teil seiner Ferien durch unglückliche Umstände verdorben, er fühlt sich nicht so, wie er möchte. Er ist enttäuscht – als wäre er fünf und bräuchte seine Mama, um das durchzustehen.
    Schrecklich und – wiederum – süß.
    Er fühlt sich also erbärmlich, und ich finde das anziehend. Bedeutet das, ich bin eigenartig?
    Ich glaube nicht. Wir kümmern uns um die, die wir lieben, vor allem, wenn sie Probleme haben.
    Nicht dass ich seine Mutter wäre. So nicht.
    Dazu gehören zu viele Kleiderschränke und Sesselschoner und Ottomanen.
    Ottomanen oder Ottomane?
    Es gibt zweifellos Stewards und jede Menge andere Besatzungsmitglieder, die geübt sind im Umgang mit Seekrankheit und sie zu lindern wissen, an die sollte sie sich wahrscheinlich wenden – aber Derek möchte sicher keine Fremden, die ihn belästigen.
    Morgen früh – wir werden sehen, wie es ihm bis dahin geht, und dann über das weitere Vorgehen entscheiden.
    Und in der Zwischenzeit muss ich ihm – weil er eindeutig bewusstlos ist – keine munteren Sätze mehr hinwerfen, mit denen man Bettlägerige aufheitert.
    Macht doch nichts.
    Ist schon in Ordnung.
    Kein Grund zur Sorge.
    Es wird wieder besser. Es wird alles gut. Du kommst wieder auf die Beine.
    Sie glaubte nicht unbedingt an die Wahrheit dieser Aussagen, aber sie wirkten konstruktiv und polsterten unbehagliche Pausen aus, und sie waren – natürlich – auch eine Ablenkung.
    Da macht mir keiner was vor. Darin bin ich Meister. Meisterin der Ablenkung, könnte man sagen, wenn das nicht irgendwie zweideutig klänge.
    Und Derek abzulenken hat sie daran gehindert, das hören zu müssen, was sie im Kopf wieder und wieder sagt – dieses Schlittern und Prasseln.
    Lärm, ich bin voll mit nichts als Lärm, und niemand sollte so viel Lärm ertragen müssen. Das ist der Gesundheit und der Sicherheit abträglich.
    Sie verschränkt die Arme, rückt sie zurecht, umklammert ihre Schultern. In ihrem Atem liegt ein Zittern, sie wird es nicht los, kann die Unruhe nicht stoppen, während die Zeit vorbeirauscht.
    Wenn ich nur lange genug vor mich hinjammere, dann kann ich mich vielleicht selbst übertönen.
    Und das ergibt kein bisschen Sinn – mein einziger Notfallplan ergibt keinen Sinn.
    Sie hat wieder Mist geredet, innerlich wie äußerlich – aber das macht nichts. Ist schon in Ordnung. Kein Grund zur Sorge. Es wird wieder besser. Es wird alles gut. Sie kommt wieder auf die Beine.
    Manche Leute pfeifen oder summen – Beth schnattert. Das heißt aber nicht, dass sie albern ist oder herzlos oder schwach.
    Du verstehst das. Du bist ein verständnisvoller Mensch.
    Und wie Elizabeth hast du schon versucht, eine Stimmung aufzuheitern, wenn eigentlich nichts Positives zu sagen war – also hast du dir etwas ausgedacht, es aus Optimismus und dem Wunsch zu gefallen konstruiert, und wenn du es eher als Musik und nicht so

Weitere Kostenlose Bücher