Das blaue Haus (German Edition)
hättest Zeit, dich richtig auf dein neues Leben vorzubereiten. Ein Leben, in dem Dane keinen Platz mehr hat.“
Sarah sah in ihren Kaffee. Diese Worte von Julie waren unfreundlich, aber nicht ganz unbedenklich. Wie sehr hing doch ihr guter Glaube an Dane – einem Menschen, der im Grunde nicht gut gewesen war, der zum Schluss nur Böses hatte geben können. Vielleicht war es das, was ihre Liebe so quälend fesselte.
„Aber er ist der Vater meines Kindes. Ich muss dem Kind später doch ein paar gute Sachen von seinem Vater erzählen können.“
„Und wenn er die Wahrheit über die Presse erfährt? Dann stehst du mir deinen guten Absichten da und musst dir eine verdammt gute Erklärung einfallen lassen.“
Sarah sah Julie an. Ihr Gefühl dieser Frau gegenüber wurde immer fragwürdiger. Egal, was sie sagte, Julie hatte immer ein Gegenargument, so, als seien ihre Gedanken weniger wert, als die von Julie. Vielleicht sollte sie ihr nicht mehr so viel mitteilen, sondern über andere Themen sprechen als Dane. Doch kurz bevor Julie heimfuhr, hörte sie folgende Frage: „Was, wenn Dane nicht tot wäre?“
„Was?“, antwortete Sarah irritiert.
„Was, wenn er dir eines Tages gegenüberstehen würde?“, setzte Julie nach.
Diese Frage erschien ihr so unrealistisch wie verrückt, so, wie ihr zeitweise auch Julie erschien. Und doch waren ihre Worte immer so mit Sorge und geteiltem Kummer erfüllt. Julie drängte: „Du solltest dir ernsthafte Gedanken darüber machen, wie abscheulich das wäre, damit du wieder zu dir kommst.“
März 1997. Salina. Markley Road. Bei Ragee.
„Du denkst, du hättest damals nichts gegen den Hass auf deinen Vater tun können?“, fragte Ragee. „Du beginnst ein Mörderspiel mit deinem Vater und denkst, er hätte das alles so gewollt, und du warst der Bösartigkeit erlegen? Was war mit der Wahrheit? Wärst du bei der Wahrheit geblieben und hättest die Polizei eingeschaltet, hättest du einen Weg ohne die Lüge gefunden.“
„Tote Worte“, entgegnete Dane, der ihm gegenübersaß und das ewige Wiederkäuen seiner Vergangenheit mit so vielen Hätte und Wäre mittlerweile hasste.
„Ja, Dane, alles tote Worte und heute nicht mehr von Bedeutung – die Bedeutungslosigkeit der Wahrheit. Ich möchte, dass du nie wieder solch ein Lügenspiel beginnst. Besinne dich immer auf die Wahrheit. Ich betone – immer. Dann kann dir nichts passieren. Auch, wenn es nicht der leichtere Weg ist, ehrlich zu sein.“
„Meine Vergangenheit ist auch ein Teil der Wahrheit und zugleich mein Todesurteil.“
„Das ist richtig, Dane. Du musst geschickt antworten, so, wie du es oft tust, wenn es um deine Vergangenheit geht. Aber nie wieder lügen, für alles, was jetzt auf dich zukommt. Dann lieber schweigen statt lügen. Es ist der einzige Weg, der dich vor dem Tod bewahrt.“
„Was ist mit meiner Lust, lügen zu wollen? Die Lust – der Kern aller Ursachen.“
„Du meinst deine Sucht?“
„Ja, nenne es so.“
„Die musst du kontrollieren lernen, genau wie ein Raucher oder ein Alkoholiker Kontrolle lernen muss. Viele schaffen das. Dann ist es für dich nur ein Kinderspiel. Du hast vielen Menschen enorme Fähigkeiten voraus. Du darfst nie vergessen, wie schmal der Pfad ist, auf dem du wanderst. Es ist dir einfach nicht mehr gestattet, eine Schwäche aufkommen zu lassen. Die Guillotine hängt unmittelbar über dir. Bei der ersten Lüge fällt das Beil herunter, vergiss das nicht.“
März 1997. Golden/Denver. Lansing Street. Bei Sarah
In Sarah vollzog sich ein unerwünschter Prozess. Sie konnte sich nicht dagegen wehren. Julie hatte ihr schlimme Vorwürfe gemacht. Ihre Liebe zu Dane begann plötzlich, in Verachtung und Hass umzuschlagen. Nicht eine von ihren Erinnerungen blieb in einen Mantel der Liebe gehüllt. Zum Schluss stand ihre Beziehung zu Dane in einem völlig beengenden Kostüm von Berechnung und Täuschung da.
Julie ließ mit jedem Besuch bei Sarah einige Bilder von Dane mitgehen. Sie sagte, Dane müsste aus diesem Apartment ganz und gar verschwinden. Nur so könnte sie wieder zu sich finden.
Parallel dazu kaufte sich Julie viele alte Möbel, die ihr eigentlich nicht gefielen. Sie sah sich in ihrer Wohnung um und versuchte, sich daran zu gewöhnen. Doch sie dachte an Dane und dass diese Möbel so etwas wie eine Notwendigkeit waren.
Es war an der Zeit, mit einer neuen Idee aufzuwarten, dachte Julie, denn Sarah war so verletzlich wie noch nie geworden. Julie fühlte ihren zwölf Wochen alten Fötus im
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