Das blaue Haus (German Edition)
Situation erwischt. Das war natürlich lächerlich.“
„Ein früherer Mann?“, fragte Sarah aufmerksam. Julie nickte. Sarah dachte an Phil, ihren ersten Mann, der den Amoklauf von Dane in Gang gebracht hatte.
„Ja, Alan hat immer Angst um mich. Er ist damals einfach nur durchgedreht. In gewisser Weise ist seine Tat der von Dane nicht unähnlich. Auch Alan hat es nicht geschafft, die Sache vernünftig zu regeln.“
„Damit hat es bei Dane auch angefangen, aber nicht wieder aufgehört. Die Probleme haben seine letzte Vernunft geraubt und ihn nicht wieder zu sich kommen lassen. Er hat dabei nur immer diese Erregung in sich getragen, diese Genugtuung, dass alles, so wie er es regelte, in Ordnung sei. Ich habe dann später, nach seinem Tod, noch von früheren Delikten gehört. Es war furchtbar.“
Julie unterbrach Sarah: „Da ist Alan ganz anders. Er ist nicht geisteskrank. Er hat alles furchtbar bereut und sich sofort in eine psychiatrische Behandlung begeben. Er hatte einen guten Anwalt, der geschickt und klug seine Verurteilung abwehren konnte. Der Mann auf dem Foto ist sein Psychiater. Alan macht gute Fortschritte.“
„Dane hätte damit keine Chance gehabt. Die Krankheit war fest in seinen Gehirnzellen verankert gewesen.“
„Bei Alan aber nicht! Bei ihm genügt nur eine gute Therapie! Dane hat es eben nicht geschafft!“
Sarah sah wieder auf das Bild und konnte die Verbundenheit zu diesem bärtigen Mann nicht loswerden. Es riss ihre Gefühle hin und her, ließ ihr Herz schneller schlagen. „Hast du Dane schon einmal richtig gesehen?“, fragte sie leise.
„Sicher, in der Zeitung.“
„Nein, das ist ein sehr altes Bild. Ich meine ein Bild aus den letzten Jahren.“
„Nein.“
Sarah stand auf und kramte in einer Schublade herum, bis sie das Bild ihrer Hochzeit fand. Julie versuchte es gefasst anzuschauen, doch schon beim ersten Blick darauf schmolz sie dahin und log: „Er hat etwas Ähnlichkeit mit Alan, aber seine Augen sind böser.“
„Böser?“
„Ja, doch. Er sieht etwas unheimlich aus.“
Das brachte Sarah durcheinander. Sie hatte immer geglaubt, dass es seine Augen gewesen waren, die seine Sanftmut und seine Zärtlichkeit präsentierten. Sollte sie das all die Jahre verkannt haben?
„Laut den Zeitungsartikeln“, fuhr Julie fort, „war Dane ein wirklich kranker Mensch. Keine Heilungschancen mehr. Liebst du ihn wirklich immer noch?“
„Ich versuche, ihn in guter Erinnerung zu behalten, das, was wirklich gut in ihm war.“
„Was war gut in ihm?“
„Sein Wille. Er wollte im Grunde immer nur das Richtige tun. Er hatte großes, handwerkliches Geschick und war sehr klug. Seine Entscheidungen waren durchdacht und in den guten Zeiten unserer Ehe immer zu unserem Besten gewesen. Ich glaube, unsere Ehe war wirklich die einzige ehrliche Zeit in seinem Leben. Leider zu kurz für ihn, um es beständig werden zu lassen.“
„Was ist mit der anderen Zeit?“
„Ich will sie nicht nachhalten.“
„Warum?“
„Weil er es mir wert ist.“
„Aber du lebst mit einer Lüge.“
„Ich kann damit gut leben.“
„Du belügst dich endlos. Du willst nicht den wahren Charakter von Dane erkennen!“
„Was bringt es mir?“
„Akzeptanz. Abstand. Neue Kraft für ein neues Leben – mit deinem Kind. Wie willst du weiterleben, wenn du nicht den wahren Dane hinter dir lassen kannst? Du lebst wie er – in einer Lüge. Was ist für ihn daraus geworden? Was wäre geworden, wenn er dir seine früheren Delikte gestanden und seine rechtmäßige Strafe abgesessen hätte?“
„Dann wären wir auch auseinandergerissen worden.“
„Er war krank!“
„Er hat sich mit einer Lüge krankgemacht! Was soll ich tun?“
„Den Irrtum erkennen! Dane war ein Irrtum für dich! Ein Irrtum für jeden. Er war krank und lebte mit bösen Absichten, auch gegen dich – vielleicht sogar von Anfang an schon. Du kannst von Glück reden, dass du nicht eines seiner Opfer geworden bist. Vielleicht hätte es nicht mehr lange gedauert, und er hätte seine Gefühle für dich zum Teufel gejagt und sich an dir vergriffen. Sei froh und dankbar und hüte dich vor solchen Menschen, die nicht über ihre Vergangenheit reden. Du musst dich stark machen und darfst niemanden mehr an dich heranlassen. Nur das wird dir die Kraft für dein Kind geben. Was will dein Junge mit einer schwachen Mutter? Wie tief willst du es mit dir fallen lassen? Es wird alles leichter, wenn du erkennen und akzeptieren lernst. Du könntest endlich von deiner Trauer weg und
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