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Das blaue Haus (German Edition)

Das blaue Haus (German Edition)

Titel: Das blaue Haus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Schreiner
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allein zum Richter machen. Danes erster Blick sollte bestimmen, ob er leben oder sterben sollte.
Es war jammervoll. Ragee wusste nicht einmal, ob er im entscheidenden Moment abdrücken konnte. Es sollte ja nicht die Verhinderung seines eigenen Todes werden, gewiss nicht, es sollte die anderen Menschen schützen, die Ragee so fahrlässig in Gefahr gebracht hatte.
Er wägte alles ab, das ihm in den Sinn kam und letztendlich auch seinen eigenen Tod durch seine eigene Waffe. Er bemerkte nicht, wie die Zeit verging und seine Kleidung langsam feucht wurde. Der Frühling ließ sich kaum aufhalten. Die Knospen wuchsen und schrien nach Leben.
Es hatte Zeiten gegeben, da hatte Ragee dies alles als wirklich schön empfunden, besonders wenn ein neues Leben erwachte. Er musste an Sarahs Baby denken – Danes Sohn. Es war ihm, als hätte er gestern seinen eigenen Enkel verloren.
Nun bargen die Knospen nur noch Einsamkeit und Tod für den alten Mann. Es war noch zu frostig für die Knospen, um sich zu öffnen.
Ragee sah auf den überfälligen Garten, der bearbeitet werden musste. Jemals wieder von seiner Hand? Er hatte sich vorgenommen, dies mit Dane in den nächsten Tagen gemeinsam zu tun, aber was kam schon so, wie man es sich wünschte? Die aufregende Zeit war vorbei, alles war vorbei.
Rudi Händler verließ gegen acht Uhr das Haus. Sein automatisches Garagentor summte, und der metallikblaue Lumina setzte rückwärts die Einfahrt hinunter auf die Straße.
Beharrlich fuhr er die Straße hinunter, während das Garagentor wieder leise zusummte. Rudi hielt alles immer so pedantisch in Ordnung – ebenso wie Gabi.
Gewöhnlich kam Gabi Händler gleich nach ihrem Mann aus dem Haus, um Milch und Zeitung hereinzuholen. Doch sie kam nicht, wie auch an diesem Morgen keine Milch und keine Zeitung vor ihrem Haus waren. Ein merkwürdig anderer Tag.
In Ragees Haus schaltete sich das Licht ein. Der alte Mann wurde aufmerksam. Seine Beine schmerzten. Er sah auf die Uhr, es war kurz nach acht. Wie immer schlief Dane bis acht. Er war nicht einer von diesen chronischen Frühaufstehern, aber auch kein Langschläfer. Seine innere Uhr stand auf acht und ließ ihn nie im Stich. Der Kaffee war dann stets Ragees Aufgabe gewesen.
Ein Schatten huschte am Fenster vorbei. Dane suchte ihn wahrscheinlich. Dann war es ruhig. Der Schatten verharrte undeutlich im Inneren des Hauses. Ragee dachte an die Zeitung, die er auf dem Esstisch hinterlassen hatte, um eine klare Reaktion von Dane zu bekommen. Dane sollte seinen Schritt ganz frei entscheiden. Er sollte so handeln, wie es ihm möglich war.
Ja, die Anzeige, die alles einfach so beendet hatte.
Dane hatte gestern mehrmals versucht, Ragee auf den Irrtum der Anzeige aufmerksam zu machen, aber seine Worte waren so fad und leise gewesen, dass der alte Mann sie nicht wahrgenommen hatte.
Wieder huschte der Schatten am Fenster vorbei. Dann verschwand er weit im Inneren des Hauses.
    Dane ging duschen – wie immer, wenn er durcheinander war und Hilfe brauchte. Vielleicht würde Ragee nach dem Duschen wieder da sein.
Das war er nicht, und Dane wurde noch unruhiger. Er sah wieder zu der Zeitung. Vielleicht sollte er doch einmal hineinschauen. Nein. Er wartete noch bis neun auf den alten Mann, dann konnte ihn auch der alte Schaukelstuhl, in dem er die ganze Zeit gesessen hatte, nicht mehr festhalten. Mit Ragee musste irgendetwas passiert sein.
Dane sah die alte Petroleumlampe am Fenster stehen und entzündete sie erwartungsvoll. Machte das nicht auch Julie, wenn sie den alten Mann erwartete?
    Als Ragee die Lampe brennen sah, wusste er, dass er die Smith and Wesson nicht benutzen musste. Eine große Erleichterung überkam ihn. Wie kam Dane nur auf so ein wunderbares Zeichen? Wir sind eben doch ein Team, dachte der alte Mann und vergaß plötzlich all seine Zweifel und sein böses Vorhaben. Er musste jetzt unbedingt hineingehen, bevor Dane herauskam und ihn dort fand. Er würde dafür nämlich keine Erklärung abgeben wollen. Er fragte sich, wer hier eigentlich der Kranke war.
Die Waffe steckte er hinten in seinen Hosenbund und ging zur Haustür.
    Dane hörte, wie der Schlüssel sich im Schloss der Haustüre drehte. Er wollte gerade nach oben in sein Zimmer gehen, um einen warmen Pullover für die Suche zu holen. Er blieb auf der letzten Stufe der Treppe stehen und sah erwartungsvoll hinunter in den Hausflur.
Ragee huschte frierend durch die Tür und schloss sie wieder mit zitternden Händen. Er sah zu Dane, der oben an der

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