Das blaue Haus (German Edition)
es wohl in Colorado geben mochte, doch die Anzeige, die zwei Tage später wieder in der Denver Post zu lesen war, ließ keinen Zweifel mehr daran, dass sich etwas Unheimliches zusammenbraute. So stand es zwei Tage später auf der gleichen Seite in ähnlicher Form:
Du glaubst mich tot an einem Ort,
doch ich war niemals von Dir fort.
Es wird Dich schmerzen – nur gerecht,
der Verlust ist bitter und sehr schlecht.
Es küsst Dich wieder Dane.
Wieder dieser Dane! Welcher Dane, zum Teufel! Der Name war nicht sehr weit verbreitet.
Ragee begann, die Reimzeilen auszuschneiden und sie Dane zu zeigen, der sie bisher nicht bemerkt hatte, der auch seit vielen Tagen keine Zeitung mehr las. Er war der Lügen satt und konzentrierte sich nur noch auf sein Gefühl. Seine Festung war für Ragee immer noch unüberwindlich.
„Sieh, Dane, der erste Reim als Folge der Todesanzeige, der zweite Reim als Folge zum Ersten“, kombinierte Ragee und bemerkte nicht, wie sehr er damit Danes Theorie unterstrich, dass Sarah vielleicht doch nicht tot war. Es war schon alles etwas merkwürdig. Schon alleine, dass Dane Sarahs Bandaufnahme weiterhin ergebnislos strapazierte, diese aber auch nicht von ihrer Familie abgeschaltet wurde. Und nun diese merkwürdigen Gedichte von diesem Dane, die so verdammt gut zu seinem Dane passten. Er wollte nicht vermuten, dass Dane selbst dahinter stecken könnte, denn das war einfach zu absurd. Er musste dafür eine Kontoverbindung hinterlassen, die er nicht besaß. Oder hatte er sich bereits an seinem Konto bedient und Ragee hatte es noch nicht bemerkt?
Hier stand eindeutig eine derbe Absicht hinter diesen Zeilen, die sein Dane wohl kaum für sinnvoll in Hinsicht auf sein Vorhaben halten konnte. Es sollte eindeutig jemand zutiefst verletzt werden. Und wenn Ragee die Zeilen richtig gedeutet hatte, so konnten sie nur an Sarah gerichtet sein.
Ragee begann, mit der Fassung seiner Brille zu spielen, die immer noch geklebt war. Schließlich gestand er Dane: „Ich komme nicht umhin zu glauben, dass die Todesanzeige tat-sächlich ein Schabernack war. Es stellt sich fast so dar, als hättest du die Todesanzeige selbst aufgegeben.“
Raimund Geers hatte in den letzten Tagen versucht, heimlich den Wahrheitsgehalt der Todesanzeige zu prüfen, aber auch er blieb, genau wie Dane, weiter im Ungewissen. Weder bei Sarah noch bei den Newshorns ging man ans Telefon. Es ließ sich einfach nicht feststellen, was da los war.
Dane las die Anzeigen mit großem Unbehagen. Er dachte wieder an Julie, ob sie wirklich so biestig sein konnte. Wie gerne hätte er mit Ragee seine Vermutung geteilt, aber er wusste, wie sehr der alte Mann seine Pflegetochter liebte.
In der darauffolgenden Nacht ging es Dane sehr schlecht. Er fühlte mehr und mehr Sarahs Schwäche und Depressionen, ohne sie gesprochen zu haben; er sah ihren Kummer im Gesicht, ohne sie gesehen zu haben; er sog ihren Duft in sich hinein, ohne sie auch nur annähernd in seiner Nähe zu haben. Sie war ihm allgegenwärtig – in einer Art und Weise, die Ragee nicht einmal erahnen konnte. Dane konnte nichts gegen diesen Schmerz unternehmen, außer darauf zu warten, dass sich bald irgendetwas Großes ergeben würde, das die Dinge in Gang bringen musste.
Und das schien sich ja gerade zusammenzubrauen ...
Fast fünf Monate waren vergangen, seit Dane bei Ragee in Salina wohnte. Er schloss nun eine Schwangerschaft von Julie gänzlich aus. Sie hatte sich seit Sarahs angeblichem Tod nicht mehr gemeldet, also konnte demnach nichts Beunruhigendes existieren. Im Grunde schien es so, als sei er Julie endgültig los, wenn sich nicht diese merkwürdigen Gedichte in der Zeitung gezeigt hätten. Dane spürte, dass es ihr Werk in der Denver Post gewesen sein musste. Die Ruhe vor Julie war wirklich nur die Ruhe vor dem Sturm. Jedes Wort in der Zeitung war wie ein Messerstich. Sie hatte eine andere Plattform gefunden, um mit ihm zu kommunizieren. Und sie würde gewinnen, wenn sie so weitermachen würde. Er wäre nie in der Lage, Sarah als Schusswaffe einzusetzen. Aber er wäre in der Lage, den Feind unkompliziert zu … er wollte nicht daran denken. War es nicht das, was er sich abzugewöhnen versuchte? Den Weg der Vernichtung zu gehen?
Seine Nächte wurden zur Kampfarena seiner Gefühle. Er begann, Julie zutiefst zu hassen. Mit dem Hass suchte er nach einem Weg, sie zu stoppen. Das größte Dilemma war eben Ragee, der dazwischen stand und nichts von alledem ahnte oder wahrscheinlich wissen wollte.
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