Das blaue Haus (German Edition)
gelangweilt ihren neuen Sekretär. Er war verschlossen, wie Dane schnell feststellte.
Eine weitere Stunde zog sich dahin. Ragee drängte zur Heimfahrt, und Dane musste ergebnislos nachgeben. Sein Versuch war fehlgeschlagen. Es schien so, als blieb ihm nur noch die banale Art, Ragee einfach seine Erklärungen mitzuteilen. Vielleicht würden die Ringe im Bad schon ausreichen. Waren darin nicht die Gravuren ihres Hochzeitsdatums? Nein, er hatte sie nicht gravieren lassen.
Ragee drängte nachdrücklich zur Heimreise. Er sah ziemlich müde aus.
Kurz vor der Abreise durchzuckte Dane ein merkwürdiges Gefühl. Es ließ ihn nicht wieder los.
Seine Beine trugen ihn zum Bücherregal zurück. Er sah wieder auf das Buch und fragte höflich, ob er sich ein paar Bücher von ihr ausleihen durfte. Julie strahlte. Ja, natürlich durfte er das! Es war eine Chance, ihn schon bald wiederzusehen. Und wie er durfte!
Dane griff in das Regal und holte drei Bücher heraus. Das Mittlere war der Gedichtband mit altdeutscher Lyrik, den er eben schon in der Hand gehalten hatte. Wieder schwebte ihm der Geruch von Sarahs Parfüm entgegen, so, als würde sie neben ihm stehen, doch es war Julie, die ihn anlächelte und die Bücherwahl lobte.
Wenn er in den Büchern nichts finden würde, konnte er bei der Rückgabe zumindest noch einmal nach den Ringen schauen. Irgendeine Gravur befand sich darin. Daran konnte er sich noch genau erinnern. Nur welche?
Sie verabschiedeten sich freundlich. Jeder war auf seine Art glücklich, besonders Dane, als er auf die drei Bücher sah.
Der Geruch von Sarah schien sich auch in der Corvette auszubreiten, obwohl Julie nicht mehr bei ihnen war. Dane musste zwischendurch immer wieder schlucken. Das Parfüm erschien ihm plötzlich ekelhaft.
Ein Polizist kreuzte ihren Weg, aber außer einem freundlichen Gruß beim Vorbeifahren war nichts vorgefallen. Die Corvette hatte ihm wohl gefallen.
Ragee fühlte sich gut. Er war mit dem Tag sehr zufrieden und dachte schon lange nicht mehr an die Smith and Wesson , die oben in seinem Nachttisch lag. Der Tag nahm ein heiteres Ende für ihn.
Während der alte Mann zufrieden in den Schlaf sank, begann Dane sich an die Arbeit zu machen. Überall schwebte Sarahs Parfüm herum, nun auch in seinem Zimmer. Der Geruch war so intensiv, dass er sich kaum konzentrieren konnte. Woher kam nur dieser Geruch?
Er roch an Julies Büchern, am ersten Buch, doch es hatte nur einen leichten Duft. Er legte es zur Seite und griff zum zweiten Buch. Es roch entsetzlich stark nach S&D. Er legte es neben sich und griff zum dritten Buch, das wieder weit weniger roch. Es musste also das mittlere Buch sein, das diesen Geruch verbreitete – altdeutsche Lyrik. Etwa Sarahs Buch? Nein, Sarah hatte so etwas nie gelesen. Sie hatte überhaupt nicht gelesen, hatte nur Koch- und Gartenbücher besessen.
Er hielt das Buch in seinen Händen und starrte es an. Es hatte einen dunkelblauen Leineneinband mit goldener Schrift. Es war so schwer wie sein Inhalt. Er schlug es auf. Die Worte darin waren schwermütig. Er musste sie zweimal lesen, um sie zu verstehen. Der Geruch brachte ihn wieder durcheinander. Er schlug die nächste Seite auf. Die Gedichte waren traurig und angsteinflößend. Der Dichter hatte böse Worte gewählt – drohende. Zermürbend und antreibend zugleich war die Wirkung des Parfüms, das ihn die ganze Zeit Gedicht für Gedicht begleitete. Je weiter er las, desto stärker nebelte es ihn ein und desto näher schien ihm Sarah zu kommen, zwischen all den bösen Worten.
Er las sich tiefer und tiefer in die Nacht, in das Buch, in den Duft seiner Frau hinein. Das Buch wurde zur Folter, und Dane sah sich bald außerstande, es weiter lesen zu können, wenn da nicht sein Instinkt die ganze Zeit so erbärmlich um etwas gekämpft hätte, was ihn unablässig antrieb. So las er sich sittsam bis zur Hälfte durch, als ihm der Duft schließlich am stärksten entgegenschlug. Seine Augen begannen zu tränen, doch er wischte die Tränen fort und las weiter. Dann stieß er auf jene Reimverse, die sich wie Giftpfeile in sein Gehirn gebohrt hatten. Die Worte, die er so bitter bis zum Hass gelesen und gelernt hatte. Jenes Gedicht, das in vier Abschnitte unterteilt in der Denver Post gestanden hatte.
Dane las:
Einmaligkeit
So wie ich's Dir vorgegeben,
so wird es in Dir weiterleben.
Du glaubst mich tot an einem Ort,
doch ich war niemals von Dir fort.
Es wird dich schmerzen nur gerecht,
der Verlust ist bitter und sehr schlecht.
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