Das blaue Haus (German Edition)
musst du doch diese Stadt kennen, Alan, oder wie auch immer du heißt.“
„Ich heiße Alan.“
„Bist du sicher?“
„Ja, verdammt!“
„Ist ja auch eine prima Sache, wenn du dir deinen Namen aussuchen kannst.“
„Ich habe ihn mir nicht ausgesucht, er ist mir gegeben worden.“
„Wann? Eben?“
„Nein, von meiner Mutter.“
„Das ist gut. Du musst ganz sicher sein, dann wird dir auch nichts mehr passieren.“
Dane kam vorsichtig hoch und schlug mit der Faust auf seinen Nachttisch. Ein Glas und eine Flasche Wasser erzitterten neben einer Brechschale aus Pappe. Es war doch nicht zu glauben! Was wollte dieser alte Mann von ihm? Was wusste er von ihm? „Herrgott, was wollen Sie von mir?“
„Dich verstehen und dir helfen.“
Dane sah auf den Auffangbeutel seines Katheders, der an der Seite seines Bettes befestigt war. Dann sah er wieder auf die Infusionsflaschen. Verflucht! „Ich brauche keine Hilfe. Ich bin okay.“
„Und wie willst du nach Denver ohne Geld und ohne Ausweis?“
Woher wusste er das? „Wer sagt das?!”
Geers grinste. Er hatte seine Verbindungen.
„Es wird sich alles regeln“, sagte Dane.
Der alte Mann nickte und verließ schlürfend das Zimmer für die Morgentoilette. Dane blieb zurück, zwangsläufig, und fühlte sich aufgewühlt. Der Arzt hatte von einer Lungenentzündung gesprochen. Die ließe sich sicherlich nicht bis heute Mittag ausheilen. Es würde länger dauern, als ihm lieb war und Geld kosten, das er nicht hatte und Fragen aufwerfen, die er unmöglich ehrlich beantworten konnte. Gott, in welches Durcheinander war er wieder geraten? Es war zum Heulen. Jetzt lag auch noch dieser Ragee mit ihm zusammen und stellte ihn vor Tatsachen, die er unmöglich wissen konnte. Er war schlau, zweifellos, und durchschaute etwas, das Dane starkes Unbehagen bereitete. Zumindest hatte es den Anschein. Oder war es nur das Gefasel eines alten einsamen Mannes, der das Gespräch suchte?
Dane versuchte, sich vorsichtig weiter aufzusetzen. Sein Blick fiel wieder auf den Katheder. Er wollte dieses Ding loswerden, konnte jetzt alleine zur Toilette gehen. Das Hemd, das er trug, war lang und hinten zugeknöpft. Aber der Infusionsständer ließ sich nicht bewegen, er hatte keine Räder. Das Krankenhaus war wohl rückständiger als andere.
Dane drehte an der Flüssigkeitsregulierung herum, damit die restliche Flüssigkeit schneller in seine Adern floss. Dann klingelte er nach einer Krankenschwester.
„Guten Morgen, Mr. Gampell. Ich heiße Julie und bin Ihre Krankenschwester. Kann ich Ihnen helfen?“
Dane war entzückt. Julie war recht jung und schlank, aber nicht mehr so jung, dass man sie für einen Teenager halten konnte. Sie musste etwas über dreißig sein. Ihr Haar war lang und blond, und sie hatte ein hübsches Gesicht, das auch im Alter noch hübsch aussehen würde. Ein rotes Schleifenband hielt ihr Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden zusammen, wie es die Krankenhausvorschrift verlangte. Dane gefiel es. Er hielt ihr den linken Arm hin und zeigte auf das unnötige Nadelsystem, das noch in seinen Adern steckte.
Julie stellte mit einem freundlichen Lächeln fest, dass sie sich nicht vor ihm fürchten musste, wie ihre Kollegin sie gewarnt hatte und trat lächelnd näher.
Mit ihr kam etwas, was Dane die Nadel vergessen ließ. Er sah in ihr blondes Haar und kehrte ungewollt in sich. Seine Gedanken begannen sich zu drehen, und ein völlig anderes Gesicht lachte ihn plötzlich an: blaue Augen, der liebe Mund, die zierliche Figur – Sarah! Wie konnte er sie vergessen haben? Ihretwegen lag er hier, war er überhaupt noch da.
„Mr. Gampell, ich heiße nicht Sarah, ich heiße Julie“, holte die Schwester ihn zurück. Dane schüttelte sich. Hatte er gesprochen? Julie entfernte ihm mit wenigen Handgriffen die Nadel aus der Armbeuge, als Ragee hereingeschlürft kam. „Hallo, Julie, mein Schatz.“
„Hallo, Ragee, wie geht‘s?“
„Prima, fein. Wann komm ich raus?“
„Das weißt du doch, du alter Sturkopf. Ich komm dir gleich den Blutdruck messen, und dann verhandeln wir neu, okay?“
„Okay, Mädchen.“ Er wandte sich zu Dane. „Na, Alan, was sagst du? Ist doch ein prima Service hier.“
„Ihr kennt euch schon länger?“, fragte Dane und drückte auf das Pflaster, das Julie ihm über die Einstichstelle geklebt hatte. Er dachte mit Unwohlsein an die andere Sache, die noch entfernt werden musste. Aber nicht von dieser Julie!
„Oh, ja. Das kann man wohl sagen“, antwortete Julie. Sie lachte und
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