Das blaue Haus (German Edition)
weiß. Er passte hervorragend zu seinem dunklen Haar. Das hatte Julie gut erkannt. Ragee sah zu dem Tisch und erkannte die Schatten weiterer zusammengelegter Kleidung. Julie hatte reichlich eingekauft. Dort lagen eine schwarze Hose, ein braunes Hemd mit einem beigefarbenen Kaschmirpullover, schwarze Wollsocken, stabile Winterboots, dezente weiße Unterwäsche und ein brauner Winterparker. Julie hatte nicht nur Geschmack bewiesen, sie hatte auch seine Größe nahezu perfekt abgeschätzt. Sie war ein Schatz – sein Schatz.
Ragee schlurfte zufrieden über den Gang zur Toilette und begrüßte sie. Er nickte verschmitzt.
„Alles Gute zum neuen Jahr, Mr. Gampell“, weckte der alte Mann seinen neu eingekleideten Zimmerkollegen.
Dane schrak hoch und fand zunächst keine Orientierung. Wieder fraß sich sein Blick in die weißen Wände der Klinik. Er sah Ragee ins Gesicht und ließ sich wieder in die Kissen zurückfallen.
„Wir haben 1997! Ein neues Jahr! Und wir leben! Beide! Gut siehst du aus.“
Dane erinnerte sich. „Ragee, das war doch viel zu teuer. Wie konntest du so viel Geld für mich ausgeben?“
„Pass auf, Junge, ich werde es dir nur einmal sagen und dann nie wieder: Ich habe genug Geld, und ich gebe es gerne für dich aus. Du gehörst in diese Kleidung, denn du bist ein feiner Mensch, nicht nur äußerlich. Also pflege dich. Ich möchte dir zum neuen Jahr noch ein weiteres Geschenk machen, und du solltest dir gut überlegen, ob du es annehmen willst.“
„Findest du nicht, dass es genug ist? Ich will keine weiteren Geschenke. Ich werde bald weg sein.“
„Nun hör mir mal gut zu, mein Junge. Ich kenne dich zwar erst kurz, und doch kenne ich dich schon länger, als du denkst. Du hast immer viel gegeben, an Freunde und Familie. Du hast immer alles gegeben, was dir irgendwie möglich war. Vielleicht nicht immer Gutes, aber du hast gegeben und nur wenig angenommen. Du hast das Nehmen verlernt – von anderen Menschen. Das Nehmen von wirklich guten Dingen. Du hast dir geholt, was du brauchtest. Und das waren nicht immer gute Sachen. Das macht krank, böse krank. Ich möchte dir zeigen, wie schön es ist, gute Sachen zu tun und in ihren Früchten zu baden. Hier mein Angebot: Ich möchte die Rechnung für deinen Aufenthalt bezahlen, weil ich weiß, dass du es nicht kannst. Ich weiß nicht, was an deiner Geschichte dran ist, aber eins weiß ich: Du bist auf der Suche nach etwas ganz Wichtigem für dich. Und du kommst nur daran, wenn du lernst, zu pflanzen und zu ernten. Keine verfaulte Ernte, eine gute Ernte. Das braucht Zeit und ein gesundes Saatgut. Ich kann dir die erste Saat streuen und möchte sehen, wie du sie pflegst, erntest und dann damit umgehst. Doch ich stelle eine Bedingung an dich, und die ist Voraussetzung aller Angebote von mir: Sage mir, dass du nicht Alan Gampell bist. Sage mir deinen wahren Namen und richte diesen schäbigen Bart anständig. Du siehst furchtbar aus!“
Dass Dane den ganzen Vormittag nicht mehr mit ihm redete, zeigte den wunden Punkt, den Raimund Geers getroffen hatte. Eine Antwort musste gut überlegt sein.
Man holte Dane zum Lungenröntgen, ehe er antworten konnte, und Ragee bekam anstatt einer Antwort einen Besuch von Dr. Bauer.
„Na, was macht der Arm?“
„Oh, dem geht es gut. Ganz sicher kann ich schon morgen gehen, nicht wahr?“
Der Arzt runzelte die Stirn. „Lieber Ragee. Nein, ich will anderes beginnen. Lieber Dr. Geers. Wie würden Sie sich in meiner Situation verhalten, wenn Sie so einen Patienten vor sich hätten, wie Sie es sind?“
„Das ist schwer zu sagen, Dr. Bauer. Sie wissen ja, die Chirurgie war nie mein Fachbereich.“
„Nein, das war sie nicht, aber ich rede jetzt mal von der psychologischen Seite.“
„Tja, wissen Sie, wenn sich der Patient gut fühlt, und ich denke, er kann sich am besten selbst beurteilen, dann sehe ich keinen Grund, ihn noch weiter hier zu halten. Sein seelisches Gleichgewicht ist in Ordnung, er ist fit und hat wieder eine neue Aufgabe gefunden.“
„Siehst du, Dr. Geers, da scheiden unsere Ansichten, denn die Blutdruckmessungen zeigen deutlich, dass noch gar nichts in Ordnung ist. Du bist zwar schon auf dem Weg der Besserung, aber immer noch nicht gut genug nach meiner Ansicht. Klappe zu, Affe tot. Bis übermorgen will ich dich hier mindestens sehen, ist das klar?“
Ragee ließ seinen Atem langsam aus sich heraus und nickte traurig. „Wie lange muss Mr. Gampell noch hier bleiben?“
„Ich denke auch bis übermorgen. Es sieht
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