Das blaue Haus (German Edition)
Wahrheit, warum machst du es mir immer so schwer? Was muss ich tun, um mich wieder zu beherrschen? Ich will nichts Böses tun, aber es lässt mich nicht in Ruhe! Was soll ich tun?, flehte Dane innerlich.
„Setz dich und pack das Paket aus“, sagte Ragee ernst. Dane sah verwirrt auf und konnte seine Wut kaum im Zaum halten. Er suchte nach ehrlichen Worten, aber dieser alte Mann machte sie zu Worten der Lüge, bevor sie von ihm ausgesprochen wurden.
„Ich will deinen verdammten Scheiß nicht! Ich will deine Hilfe nicht, du alter Mann! Lass mich in Ruhe! Was willst du eigentlich von mir?“ Er verließ sein Bett, schritt zu Ragee hinüber und packte ihn am Kragen seines Pyjamas. Das ließ den alten Mann würgen. Verdammt! Was mache ich da?, durchschoss es Dane. Er ließ ihn wieder los und besah seine Hände. Sie hatten wieder gehandelt, wie sie es immer getan hatten. Ragee lächelte. „Das ist gut, Junge, lass es raus. Du hast dich festgefahren und bist durcheinander.“
„Ich bin weder festgefahren noch durcheinander. Du bringst mich durcheinander. Herrgott! Scheiße noch mal!“ Dane ließ sich in sein Bett fallen und drückte das Gesicht in die Kissen. Er saß in diesem verdammten Krankenhaus fest, ohne Kleidung, die war erst in zwei Tagen aus der Reinigung zurück, sagte Julie – und mit einem Greis, der sich als Samariter aufspielte.
Sie redeten den ganzen Abend nicht mehr miteinander.
Dann, mitten in der Nacht: „Pack das Paket aus und lass uns reden“, flüsterte der alte Mann. Die Notbeleuchtung brannte.
Danes Augenlider begannen zu zittern. „Und wenn ich es nicht will?“, flüsterte er zurück.
„Hast du Angst vor einer Gegenleistung?“
„Vielleicht.“
„Ich habe schon eine Gegenleistung von dir bekommen. Das Paket ist also bezahlt.“
„Das verstehe ich nicht.“
„Du lässt dir nichts sagen, hab ich recht?“
„Richtig.“
„Okay, sagen wir, wenn du möchtest, kannst du das Paket öffnen, und ich schenke dir alles darin. Möchtest du das Geschenk von mir annehmen?“
„Was ist meine Gegenleistung?“
„Du.“
„Lächerlich! Bist du der Teufel und auf Seelenfang?“
„Vielleicht.“
„Du wirst keine finden, ich habe keine mehr.“
„Das hört sich gut an. Sagen wir, ich bin kein Teufel und möchte dir etwas geben, das ich schon einmal einem Menschen geben wollte, es aber letztendlich nicht geschafft habe.“
„Sag mir, was es ist, bevor ich mich entscheide.“
„Es ist die Kraft, wieder Gutes zu erkennen und zu tun, die Fähigkeit, wieder wirklich zu lachen, und die Stärke, dich als solches nicht mehr zu verlieren. Man wird dich nicht mehr einfangen.“
„Was weißt du von mir?“
„Finde es heraus.“
„Wie?“
„Mit allem, was du tust.“
„Bist du einsam? Ist es das, was hier passiert?“
„Vielleicht.“
„Durch mich wirst du nicht viel Gesellschaft bekommen. Ich will deine Gesellschaft nicht. Ich brauche Ruhe, um herauszufinden, was weiter passiert.“
„Damit sie dich nicht wieder einfangen, hast du vergessen zu sagen.“
„Was meinst du mit einfangen ?“
„Ich hatte einen Freund, den man eingefangen hatte. Er ist daran gestorben.“
Dane schwieg. Was hatte der alte Mann, was er an ihm mochte und zugleich verabscheute?
Als Ragee zum ersten Mal den Namen Dane Gelton gestern von Dr. Bauer gehört hatte, wusste er sofort Bescheid, wen er vor sich hatte und war erschrocken zugleich. Er hatte mit allem gerechnet, aber nicht mit einem Toten, der vor seinen Augen plötzlich wieder auferstand. Er las Zeitung, und er konnte sich Gesichter gut merken. Danes Bart hatte ihn zunächst irritiert, und er hatte versucht, seine absurden Gedanken zu verwerfen. Aber dann hatten sie ihn angeregt und aufgefordert, sich der Sache zu stellen. Der aufregendsten Sache in seinem ganzen Leben.
Am nächsten Morgen erwachte Ragee früher als Dane und suchte nach seiner Brille. Dane schlief noch, aber Ragee konnte den weißen Pyjama erkennen, der in dem Paket gelegen hatte und nun unter Danes Bettdecke hervorlugte. Er lächelte und nickte. Danes Krankenhaushemd lag gefaltet über einen Stuhl. Auf dem Tisch lagen Seife, Shampoo, Deo, ein Kamm und ein Rasierapparat, alles aus dem Paket. Es stand geordnet beieinander, und Ragee musste wieder lächeln. Dane musste es in der Nacht ausgepackt haben. Es war anzunehmen, dass er auch geduscht hatte, es roch so. Die Ordnung musste typisch für ihn sein. Dieser Dane war ein ordentlicher und sauberer Mensch – unverkennbar. Der Pyjama stand ihm gut –
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