Das blaue Haus (German Edition)
unangebrachten Auftritt abzulenken.
Dane sah auf. „Ich glaube schon.“
„Wie geht es dir?“, fragte sie und war froh, dass die Spannung abzuklingen begann.
„Ist schwer zu sagen.“
„Was ist mit deiner Ehe?“
Wieder wurde sie indiskret und frech.
„Eine intime Frage.“
„Ja. Wieder einmal. Bekommt sie eine Antwort?“
„Nein. – Setz dich zu mir und erzähl mir von Ragee.“
Julie war enttäuscht. Warum von Ragee? „Du wirst alles selber herausfinden, wenn du längere Zeit mit ihm zusammen bist.“
„Das ist wahr.“ Er sah zu ihren Ohrringen.
Sie griff nach ihrem rechten Ohrläppchen und fragte: „Gefallen sie dir?“
„Steht dir gut.“ Mehr wollte er nicht dazu sagen.
„Das hab‘ ich mir gedacht.“
„Was?“
„Dass sie dir gefallen werden.“
„Du trägst sie für mich?“
Julie lächelte verlegen. Dane sackte zusammen. Was er auch sagte, alles wurde zu missverständlichen Signalen. Er wollte sie eigentlich nur mögen, aber wie war das möglich, wenn er nicht einmal freundlich sein durfte?
„Julie, wir müssen reden.“ Er sah ihr ins Gesicht. Sie legte ihre gefalteten Hände auf den Tisch und hoffte so sehr auf eine Berührung von ihm.
„Julie“, begann Dane und musste schlucken. Er versuchte, aufrichtig zu klingen. „Du bist sehr nett zu mir.“
Julie strahlte. Der Elektrorasierer von Ragee verstummte. Dane griff schnell nach ihren Händen. Sie zitterten. Er fühlte das Zittern und hoffte so sehr, nicht wieder die falschen Worte zu finden. Im Grunde fühlte er sich wirklich geschmeichelt. Warum auch nicht? Er war ein Mann und mochte das Gefühl, begehrt zu werden. Besonders von jüngeren Frauen. Welcher Mann mochte das nicht?
„Julie, ich mag dich. Und verstehe meine Worte richtig, aber …“
Ragee platzte in die Erklärung, und Dane löste augenblicklich den Kontakt zu Julie. Unfertige Worte blieben im Raum, die ein klares Ende gebraucht hätten.
Dane begann, an der Sache zu verzweifeln. Wie leicht waren die Worte ich liebe dich nicht , oder ich will nicht mit dir schlafen in Gedanken und doch so schwer auszusprechen.
„Ich bin fertig“, bemerkte Ragee und spürte die Spannung, in die er gestoßen war. Er wusste jedoch nicht, ob sie positiv oder negativ geladen war. Julies Absichten waren ihm klar, nicht so Danes. Es schien gut, dazwischengefahren zu sein – für Julie ganz sicherlich.
Dr. Bauer verabschiedete sich von beiden, wies Dane auf seine weitere Medikamenteneinnahme hin und Ragee auf die Pflege seiner Armschiene, die nach drei Wochen entfernt werden sollte. Sie stiegen in Julies Mazda und fuhren zu Ragees Haus, das nur fünf Minuten vom Krankenhaus entfernt lag. Der Schnee lag hoch. Er nötigte die Hausbewohner und Räumungsfahrzeuge zum Einsatz.
Dane bemühte sich auf der engen Rückbank um eine ordentliche Haltung. Julie hatte ihm die wenigen Sachen, die er inzwischen wieder besaß, in eine dunkelbraune Ledertasche gepackt. Die lag jetzt neben ihm. Daneben lag Ragees Tasche. Im Kofferraum war kein Platz. Julie sagte, sie müsse ihn unbedingt aufräumen.
Dane hörte das Knirschen der Reifen, wie sie sich durch den Schnee wanden, und fühlte sich etwas verloren. Er sah auf die beiden, die vor ihm saßen und lebhaft miteinander plauderten. Ihn überkam ein merkwürdiges Gefühl. Er konnte es nicht beschreiben, es war einfach nur da.
Der Mazda bog in die Asher Avenue. Dane spürte plötzlich starke Zweifel aufsteigen, das Richtige zu tun. Die beiden redeten vorne miteinander, als sei er überhaupt nicht da. Abgesehen davon wollte er mit ihnen auch nicht reden, er wusste auch gar nicht, was er mit ihnen reden sollte, jetzt, wo sie zusammen waren. Es ist merkwürdig, dachte er. Er konnte nicht mit beiden gleichzeitig umgehen. Jeder von ihnen sprach einen anderen Teil seines Wesens an.
Der Abstand zu dem Krankenhaus brachte Nüchternheit in Danes Gefühle. Er fühlte sich mehr und mehr mit der Entfernung von der ärztlichen Sicherheit einem Familienkomplott ausgeliefert, unter Umständen sogar einem gefährlichen. Was, wenn die Zwei mehr vorhatten, als sie vorzugeben versuchten?
Alles basierte auf einer nahezu unglaublichen Aneinanderreihung von Zufällen. Vielleicht sollte er Ragee um ein paar Dollar für den Bus nach Denver bitten und die Sache hier beenden. Denver, dachte Dane. Warum Denver? War Sarah vielleicht zurück zu ihren Eltern gegangen? Er wusste es nicht. Es war nur so ein Gefühl. Fest stand, dass er jetzt erst einmal bei Ragee festsaß.
Januar 1997. Junction
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