Das blaue Haus (German Edition)
wesentlichen Dinge in deinem Leben: deine verdammten Klamotten, wie gut sie dich fühlen lassen! Ich gratuliere, du bist auf dem richtigen Weg!“ Ragee klopfte ihm ermutigend auf die Schulter.
„Wir fangen gleich morgen mit einer wirklich sinnvollen Methode an, das Unterbewusstsein zu verändern. Es ist keine leichte Aufgabe, aber sie wird so wichtig wie dein täglicher Atem werden. Es wird einige Tage oder Wochen dauern, bis du Ergebnisse in deinem Bewusstsein spürst, aber sie werden merkbar sein. Je konsequenter du die Übungen durchhältst, je besser ist das Ergebnis.“
„Was hast du vor?“, fragte Dane irritiert. „Wenn ich vorerst zu dir ziehe, heißt das noch lange nicht, dass du den Psychiater für mich spielen sollst!“
„Ich spiele ja auch nicht“, sagte Ragee und merkte, dass Dane scheinbar noch nichts von ihm wusste. Er musste also vorsichtig sein, denn der Psychiater war ein sehr gefährlicher Begriff für einen Menschen wie Dane.
„Ich will dir nur helfen. Dir helfen, dich gut zu fühlen, dass du wieder neue Stärke und neue Kraft findest.“
„Du willst mein Denken verändern.“
„Auch das.“
„Ich will es aber nicht.“
„Es gehört dazu. Willst du nicht gemeinsam mit mir einen Weg suchen? Dann lass mich teilhaben.“
„Ich werde aber selber bestimmen, wann ich was mache, okay?“
Der Alte nickte und Dane schwieg.
„Warum erst morgen?“, fragte Dane nach einer Weile, ging zu Ragee an das Bett und setzte sich auf einen davorstehenden Stuhl.
„Weil wir dann entlassen werden und du nicht weißt, was auf dich zukommen wird. Ich will testen, wie sehr du die wirklich wesentlichen Dinge im Leben noch erkennen und empfinden kannst.“
„Wie lautet die Aufgabe?“
„Morgen, Dane, morgen.“ Der alte Mann schlief mit der Brille ein. Dane nahm sie vorsichtig aus seinem Gesicht und legte sie eingeklappt auf die Nachtkonsole. Er taxierte Ragees Gesicht, was er tagsüber nicht konnte. Er war seit vier Tagen mit ihm zusammen und hatte ihn nicht einmal so richtig angeschaut. Das weiße Haar war nicht mehr sehr dick, aber dennoch deckend um das schmale lange Gesicht dieses undurchschaubaren Menschen. Wie viel Weisheit mochte sich hinter den vielen Falten verbergen? Dieser Ragee war wirklich etwas Besonderes>
*
Julie erwachte am 3. Januar recht unglücklich mit dem Gedanken an Alans Entlassung, auch wenn sie wusste, dass er vorerst in Junction City bleiben würde. Er wollte bei Ragee bleiben. Dass Alan diesen Ort nicht verlassen wollte, sprach dafür, dass in seiner Ehe etwas nicht stimmen konnte. Er wirkte desorientiert und heimatlos. Das war ihre Chance.
Nach seiner mitgebrachten Kleidung zu urteilen, konnte er wirklich ein Obdachloser sein, aber er hatte etwas an sich, dass dies doch arg infrage stellte. Er war klug, ordentlich und kultiviert. Seine Wortwahl war wohlbedacht und intelligent, ein Mann, der zweifellos aus anderen Kreisen kommen musste. Julie war neugierig auf ihn geworden, doch am meisten freute sie sich auf die erste Nacht mit ihm.
Sie drückte ihr Kopfkissen fest an ihre Brust und spürte seinen Körper. Sie fühlte Glück. Es war im Grunde doch gut, dass er bei Ragee blieb. Ragee war gut für alle Menschen. Und doch interessierte es sie, was er an Alan noch zu verbessern hatte, denn grundlos kümmerte er sich gewiss nicht um diesen Menschen.
*
Wie nahe Wahnsinn und Intelligenz beieinanderliegen konnten, wusste Ragee – vereint einem Denksystem.
Dane hatte seinen Amoklauf hinter sich gebracht, und die Wogen waren geglättet. Ragee wusste auch, dass Dane nie wieder aus dem System ausbrechen würde, wenn er sich nicht provozieren ließ. So lag es jetzt an ihm, Raimund Geers, Dane so resistent zu machen, dass die Provokation keine Chance mehr in dessen Leben bekommen würde. Was gab es da Naheliegenderes, als ihn für das Wesentliche zu sensibilisieren, denn sein Bewegungsraum war so unglaublich klein geworden. Und dann war da noch Sarah. Was konnte sie ihm jetzt noch bieten? Bot sie ihm überhaupt noch eine Chance? Ganz zu schweigen von einem gemeinsamen Leben unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Es musste ein völlig neuer Mensch aus Dane herausgeholt werden.
*
Dane erwachte an dem letzten Morgen im Krankenhaus mit völlig wirren Gefühlen. Er hatte in der Nacht von Sex geträumt. Nicht mit Julie. Auch nicht mit Sarah. Er glaubte, sich an einen Mann zu erinnern. Doch das war in Ordnung. Er mochte es mit beiden Geschlechtern.
Zum ersten Mal seit vier Monaten dachte er
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