Das blaue Haus (German Edition)
bleiben“, sagte Ragee und dachte: bis er wieder geht.
Sie hatte seine Gedanken direkt richtig verstanden. „Das kannst du nicht machen!“, fuhr sie ihrem Vater durch den Hörer an.
Ragee blieb ruhig, zumindest versuchte er es. Es schienen sich langsam klare Fronten zu bilden. „Julie, es ist sehr wichtig.“
„Nein, es ist zwei Stunden von mir entfernt!“
„Ich weiß.“
„Warum?“
„Er ist dort weiter von Kansas City entfernt. Die Entfernung ist wichtig für Alan. Junction City ist zu nah.“
„Für was zu nah? Was ist mit ihm, Ragee?“
„Vertrau‘ mir“, sagte der alte Mann und wollte das Gespräch beenden. Er kannte Julie. Sie hatte sich Dane doch mehr in den Kopf gesetzt, als er erwartet hatte. Salina erschien ihm plötzlich nicht mehr weit genug. Aber dort stand sein Zweithaus. Es war besser geeignet als dieses – heller und größer. Sie brauchten Platz für all die Gespräche, die noch anstanden. Und vor allen Dingen Ruhe. Die konnte er hier nicht finden, wenn Julie nur wenige Minuten brauchte, um bei ihnen vor der Tür zu stehen. Ragee konnte nicht abschätzen, wie oft sie unangemeldet in wichtige Gespräche platzen würde. In Salina hatte er mehr Sicherheit, ungestört mit Dane zu arbeiten. Immerhin würde sie nicht ständig vier Stunden An- und Abfahrt täglich in Kauf nehmen. Jetzt bei dem Schneefall sogar noch länger. Ragee hörte, wie Julies Worte durch den Hörer zu ihm ans Ohr drangen: „Ragee, sei ehrlich. Was ist mit Alan? Wird er gesucht? Hat er was ausgefressen?“
Der Alte sah vom Telefon auf, als Dane aus dem Bad kam. Er sah frisch und sympathisch aus. Seine Figur war immer noch makellos und ein Kompliment für jede Frau, die ihn berühren durfte. Aus dem Bad roch es nach Seife und Shampoo. Er ging nach oben, um sich anzukleiden.
„Hör zu, Honey. Es gibt Dinge, die meine Sache sind und Dinge, die deine Sache sind. Und dann gibt es Dinge, die Alans Sache sind. Wir sollten uns gegenseitig Respekt erweisen und dann, wenn die Zeit reif ist, alles besprechen.“
„Alan gehört dir nicht!!“, schrie Julie plötzlich durch den Hörer. Sie wurde böse. Noch nie war sie so böse gegen Ragee geworden. Das machte den alten Mann missmutig. Er wurde rot vor Zorn, sich solch einem Gespräch mit Julie ausliefern zu müssen. Er schrie zurück: „Nein, ganz sicher nicht, aber er gehört auch nicht dir! Er gehört sich selbst und hat sich entschieden, zunächst bei mir zu bleiben! Es gibt Dinge, die du nicht mit ihm teilen kannst! Du bist eine Frau, ich ein Mann! Versteh das bitte richtig!“
Das Wort zunächst entschärfte ihre Wut spontan. Es war eines jener Worte, die sie an ihm so liebte. Zunächst hieß vorerst, nicht immer, und das meinte Ragee dann auch. Er sagte immer, was er meinte und nahm es sehr genau mit seiner Wortwahl. Und er schätzte das Zuhören. Das hatte Julie von ihm gelernt, wie sie auch seine Sturheit von ihm gelernt hatte.
„Ich möchte selber mit ihm sprechen und das alles von ihm hören. Gib ihn mir bitte.“
„Er ist gerade nach oben gegangen. Ich muss erst mit ihm reden.“
„Du willst ihn manipulieren.“
„Kind! Ich will ihm helfen.“
„Bei was?“
„Herr Gott!“ Jetzt bebte auch Ragee wieder vor Zorn.
„Wird er verfolgt?“
„Nein.“
„Kann ich euch in Salina besuchen kommen?“
„Sicher. Ruf nur vorher an, damit wir da sind.“
Die Wogen glätteten sich wieder. Ragee legte den Hörer auf den Apparat. Er musste ein bisschen lachen, obwohl er es nicht wollte. Das war seine Julie – unverkennbar sie. Und so liebte er sie, mit all ihrer Durchsetzungskraft und ihrem Selbstbewusstsein. Ihr Wesen war so zuckersüß, aber – und Ragee erschrak – alles andere als gut für Dane. Ihre Beziehung würde keine Chance haben.
Dane kam die Treppe hinunter. „Wer war dran, dass du so schreien musstest?“
„Habe ich gestern nicht auch mit dir geschrien?“
„Du hast mir nicht richtig zugehört“, sagte Dane. „Das war keine Antwort, es war eine überflüssige Gegenfrage.“
Ragee hielt inne und bemerkte knapp: „Julie.“
Dane nickte und roch den frischen Kaffee.
Noch nie zuvor war Julie so massiv von Ragee zurückgewiesen worden. Okay, Ragee wollte einen Kampf? Den sollte er bekommen. Sie schwang ihre Handtasche und ihre Jacke über den linken Arm und griff nach ihrem Autoschlüssel, um sich auf den Weg zur Asher Avenue zu machen.
„Wie geht es dir heute Morgen?“, fragte Ragee und sah zufrieden zu, wie Dane seinen Kaffee trank. Die Wunden von
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