Das blaue Haus (German Edition)
glauben muss? Worum, denkst du eigentlich, kämpfe ich hier? Für Dinge, die ich nicht muss?“
Dane hielt inne. Er hätte so gerne zurückgeschrien, aber welche Worte gab es noch, die dem entgegenzusetzen waren? Sein Kopf setzte sich zu. Die Wut begann, den Zorn zu jagen. Oder war es der Zorn, der die Wut jagte?
„Zeig mir mal das Bild“, sagte Dane und fühlte sich plötzlich erstaunlich gefasst. Beide gingen nach unten, wo die Zeitung lag. Ragee reichte ihm den Innenteil der Zeitung herüber, und Dane sah in sein achtzehn Jahre jüngeres Gesicht. Das Gesicht einer Unschuld, als all die bösen Gedanken noch nicht in ihm waren und er sich von nichts anderem, als von der wunderbaren Idee, dieses Lokal in Glendale aufzubauen, beherrscht gefühlt hatte. Alles wühlte sich wieder auf.
Ragee beobachtete, wie Dane ein stummes Gespräch mit seinem eigenen Bild führte. Sein Kopf drehte sich dabei leicht zur linken Seite. Er schien an der Aufnahme zu arbeiten.
„Hast du einen Bleistift?“, fragte er.
Ragee sah ihn erstaunt an. Einen Bleistift?
„Einen Bleistift?“, fragte er ungläubig.
„Ja, einen Bleistift. Hast du einen?“
Ragee nickte, zwar unverständlich, aber er ging in die Küche, wo in einer unordentlichen Schublade ein paar alte Stifte lagen.
„Er muss spitz sein. Hast du einen Anspitzer?“
Und wieder sah ihn der alte Mann erstaunt an. Was war das nun für ein Spiel? Ragee ging wieder in die Küche und holte einen Anspitzer aus der Schublade. Dann sah er, wie Dane den Bleistift langsam anspitzte und dabei das Bild aus der Zeitung taxierte. Er vermaß konzentriert sein eigenes Gesicht. Ragee war immer noch reserviert. Dane prüfte sorgfältig die Spitze des Bleistifts und begann, in der Zeitung zu malen – genau in das Gesicht – in sein eigenes Gesicht.
Was war das, eine schizophrene Entgleisung? Als Ragee näherkam, sah er die Verwandlung von Dane Gelton in der Zeitung. Mit zweifellos befähigter Hand geführt, wanderte die Spitze des Bleistiftes über das Papier der Zeitung, bis dass das Gesicht von Dane Gelton nicht mehr zu erkennen war. Es war ein völlig anderes geworden. Fantastisch! Die Haare waren länger, ein Vollbart, aber völlig anders, als der, den Dane noch vor wenigen Wochen getragen hatte, und die Augenbrauen waren buschig und unheimlich. Ragee war beeindruckt. Und das alles mit seinem alten Bleistift aus der Kürmelsschublade.
Eins wusste Ragee jetzt: Dane konnte großartig zeichnen. Er lächelte zufrieden und sah ihn an, der zurücklächelte.
Dane legte den Bleistift zur Seite und die Zeitung freizügig auf den Tisch, damit Julie heute noch darin lesen konnte.
Wie einfach konnte doch das Lügen sein, wenn man nur die richtigen Ideen hatte!
„Du hast nicht mit Julie gesprochen, nicht wahr?“, fragte Ragee, als die Sache mit der Zeitung in den Hintergrund rückte. Sie lag bereits seit zwei Stunden auf dem Tisch, und Julie war immer noch nicht zurück. Dane schwieg. Dann sagte er: „Ich habe überhaupt nicht mit ihr gesprochen.“
„Ich verstehe“, nickte Ragee, dachte wieder widerwillig an das Bett oben und ging in die Küche. Er holte zwei Äpfel aus dem Kühlschrank und warf einen davon zu Dane. Er fing ihn auf und bedankte sich.
„Warum?“, fragte Ragee.
„Wegen des Mörderbabys.“ Er biss in den Apfel. Er war sauer, und Dane verzog sein Gesicht.
„Hätte es nicht gereicht, dir die Nase einzuschlagen? Musstest du Julie nehmen?“
Dane schluckte das saure Fruchtfleisch herunter und begann zu husten. Als er sich wieder beruhigte, sagte er: „Die Nase hat es nicht getan. Es war ein anderes Bedürfnis.“
„Wie gestern Abend, was?“
Dane hielt inne, kaute das saure Fleisch nicht weiter und kam aus dem Sessel hoch. Ihm blieb der Bissen im Halse stecken. Er sah Ragee böse an.
„Du kannst ruhig schauen“, sagte der Alte. „So eine kleine Beule auf der Schädeldecke verursacht kein Nasenbluten und ein Spaziergang keine dreckige Kleidung, geschweige denn schmutzige Unterwäsche!“
„Eine Sterilisation auch kein Baby!“ Dane ging in die Küche und schmiss den angebissenen Apfel appetitlos in den Müll.
„Oh doch!“, rief Ragee wütend hinterher.
„Wie?!“, schrie Dane und jagte an ihm vorbei zum Bad.
„Es gibt zwei Praktiken der Sterilisation!“, schrie Ragee durch die Badezimmertür. „Zum einen die Unterbrechung oder die Verlegung der Eileiter, die nachweislich eine sehr unsichere Methode ist, da jederzeit die Gefahr besteht, dass die Enden der Eileiter wieder
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