Das blaue Siegel
ja schließlich hier. Parks’ kleine Gruppe von nur vier Männern durchquerte Prinz-Albert-Land mit Nordost-Kurs, wobei sie ihren Schlitten über meilenweite Schlamm- und Geröllfelder eher trugen als zogen, erreichte das Meereis des Viscount Melville Sound, überquerte es mit Kurs Nordnordost ebenfalls und kam dreißig Tage später nach Hearne Point auf der Dundas-Halbinsel.
Mit Ausnahme einiger Polarfüchse, Hasen und Schneeammern hatten sie auf ihrer Reise kein lebendes Wesen gesehen, und Robinson Crusoes Überraschung über den fremden Fußabdruck auf seiner Insel konnte kaum größer gewesen sein als diejenige von Parks und seinen Männern, als sie kurz vor Winter Harbour auf die Spuren eines Schlittens und mehrerer genagelter Stiefel stießen. Die Spuren waren verweht und führten Richtung Südwest auf das Meereis hinaus, konnten aber nicht älter als eine Woche sein. Leutnant Parks verstand genug von Navigation und Geografie, um zu wissen, dass es Leute von der Investigator gewesen sein mussten, die hier gewesen waren – die Wahrscheinlichkeit, dass sich noch ein anderes Schiff im Südwesten von Melville Island aufhielt, war astronomisch gering.
Seine Männer machten sofort den Vorschlag, den Spuren zu folgen und dem verlorenen Schwesterschiff einen Anstandsbesuch abzustatten, aber das widersprach den Befehlen des Leutnants. Mündlich und im Geheimen hatte Collinson ihm untersagt, Kontakt mit der Investigator zu suchen, es sei denn, sie läge in Winter Harbour vor Anker. Tatsächlich war es der Hauptzweck von Parks’ Schlittenexpedition, herauszufinden, ob McClure die Durchfahrt nach Osten geschafft hatte. Die Spuren im Schnee sprachen dagegen, und als der Leutnant wenig später in Winter Harbour ein Steinmal entdeckte, in dem McClure – am 28. April 1852 – einen kurzen Bericht über die Fahrt seines Schiffes, seinen Liegeplatz in der Mercy Bay und die Lage an Bord hinterlassen hatte, bestätigte das nur diese Vermutung. Leutnant Parks überlegte kurz, ob er diese Nachricht nicht so, wie sie war, zur Enterprise bringen sollte, aber dann nahm er es seufzend auf sich, sie abzuschreiben und wieder in ihrem Depot niederzulegen.
Der Ire war weit gekommen, aber er hatte es nicht geschafft und lag jetzt in offenbar nicht übermäßig gefahrvoller Lage im Eis und auf Banks-Land fest. Parks’ Bericht über den Zustand des Meereises im Melville-Sund – keinerlei Anzeichen für offenes Wasser in diesem Jahr – gab Collinson Anlass zu der befriedigenden Vermutung, dass sein Gegner noch für mindestens zwölf Monate mattgesetzt und seine Hindernisse im Norden unüberwindlich waren. Als das Eis in der Minto-Bucht aufbrach, nutzte er deshalb die knapp sechswöchige Segelsaison, um seine Fahrt im Süden von Viktoria-Land, durch die Dolphin & Union Strait, den Coronation Gulf und die Dease Strait fortzusetzen. McClure hatte vorwiegend Eis entdeckt – und zwei Nordwestpassagen, die nicht befahrbar waren. Collinson würde Land entdecken und vielleicht mehr Glück haben.
103.
Seit die Sonne nicht mehr unterging, unterhielten sie eine permanente Eiswache auf dem zweihundert Meter hohen Hügel am Nordostausgang der Mercy Bay. McClure, den das Fehlen eines Schiffes oder zumindest eines Lebensmitteldepots in Winter Harbour vier Wochen lang nahezu trübsinnig gemacht hatte, war entschlossen, bei der kleinsten Bewegung des Meereises vor der Küste lieber die ganze Bucht in die Luft zu sprengen, als noch einen Winter in ihr zu verbringen. Flaggenposten wurden eingerichtet, die die Beobachtungen der Eiswache binnen dreier Minuten vom Ausgang der Bucht bis in die Kabine des Kapitäns melden konnten – aber ebenso gut hätten sie sich vor ein Alpenpanorama setzen und auf eine Bewegung der Berge warten können.
Das Packeis taute in diesem Jahr nicht nur nicht, es wurde, wie Messungen ergaben, die man der Mannschaft verschweigen musste, sogar noch dicker. Das Einzige, was dahinschmolz, war die Courage, die sie so weit gebracht hatte – und das Eis am Ufer der Bucht, in dem jetzt regelmäßig Männer der Landetrupps einbrachen. Da auch der Permafrostboden an der Küste aufgetaut war, gab es außer knietiefen kilometerbreiten Schlammfeldern an Land nichts Besonderes zu entdecken. Das Wild war nach Süden, ins Landesinnere gezogen, die zuletzt so erfolgreiche Jagd kam zum Erliegen.
Eine unschöne Szene gab es, als der junge Leutnant Robert Wynniat beim Versuch, mit dem Boot an Land zu kommen, ins Wasser fiel
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