Das blaue Siegel
dieser junge Mann sie gerettet, sie aber auch in ihrer Schande und ihrem eigenen Schmutz gesehen hatte. Entsprechend leise antwortete sie auf die Fragen, die Mukhopadhyaya übersetzte.
Was mit ihren Händen sei?
Strafe für ihren Ungehorsam.
Worin habe ihr Ungehorsam bestanden?
An sie gerichtete Fragen nicht zur Zufriedenheit der Fragenden beantwortet zu haben.
Welche Fragen das gewesen seien?
Wer von ihrer Reise gewusst und mit wem sie darüber geredet habe.
Wer habe denn von ihrer Reise gewusst, und mit wem habe sie darüber geredet?
Nur ihre Herrin, Nawab Sha Zamani Begum, Prinzessin von Oudh und Delhi.
Wann sie nach Delhi gekommen sei?
Vor zwanzig Tagen.
Warum?
Ihre Herrin habe es so gewünscht.
Gowers seufzte. Aus diesem Nebel aus Loyalität und blindem Gehorsam ließ sich nur mit jeder dritten oder vierten Frage eine brauchbare Information herausfischen, aber auf diese umständliche, langwierige Weise erfuhr er schließlich, dass Zamani von Oudh sich Sorgen um ihren Sohn gemacht hatte. Albträume quälten sie, Nachtgespenster, Hexen, Dämonen. Nur eines war klar: Mit Ausnahme von Niazoo hatte seit Jahren kein Außenstehender mehr den inneren Kreis um den Prinzen betreten. Es lag nahe, dass jemand sie benutzt, verfolgt, beobachtet hatte, um den genauen Aufenthalt des letzten Mogulerben ausfindig zu machen.
Als Gowers sie fragte, ob sie schon vorher, noch vor ihrer Reise, gewusst habe, dass der Prinz in Delhi sei, nickte Niazoo lange, und ihre Augen begannen zu glänzen.
»Sie kannten den Prinzen gut?«, fragte der Investigator, überrascht von ihrer plötzlichen und ehrlichen Trauer.
»Ich habe ihn gezeugt«, sagte Niazoo leise.
Gowers ließ sich diese Antwort zweimal übersetzen und wurde durch die Wiederholung nicht klüger. Fragend blickte er zu Ruhiman, der sich jetzt vor Verlegenheit räusperte.
»Es handelt sich dabei offenbar um eine sogenannte Königszeugung, Mr. Gowers«, sagte der Beamte so korrekt wie möglich, konnte aber nicht umhin, vor Unbehagen auf seinem Stuhl hin und her zu rutschen. Dann fasste er sich ein Herz und sagte kühl: »Ein auch in den abendländischen Monarchien bisweilen gebräuchlicher Vorgang. Dabei wird die Samenflüssigkeit mithilfe eines Röhrchens direkt in die … in den Uterus eingebracht. Das erhöht angeblich die Wahrscheinlichkeit männlicher Nachkommenschaft und … es gleicht gewisse Schwächen aus, Sie verstehen?!«
»Königszeugung«, murmelte Gowers und verstand. Nur um Ruhiman zu quälen, hätte er am liebsten gefragt, wie denn die Samenflüssigkeit in das Röhrchen kommt, wenn es ihm nicht sofort klar gewesen wäre. Immer sarkastischer führte er sich die Szene vor Augen; den glücklosen König, zu alt, zu dick, zu schwach. Die flinken Finger der Dienerinnen, ein vermutlich goldenes »Zeugungsbesteck«, die Schale, das Röhrchen – und natürlich die bereitliegende Prinzessin.
»Es lebe die Republik!«, knurrte er zwischen zusammengebissenen Zähnen und setzte dann die Befragung fort. »Sie kannten den Prinzen also schon ziemlich lange.«
53.
Ishrat stand nackt vor dem Bett des Amerikaners und fühlte, wie die Schwere in ihren Körper sank. Er saß auf dem Bett, rauchte seine Pfeife und starrte sie an. Anfangs hatte sie geglaubt, es sei wieder eines der unnatürlichen Spiele der Weißen, und wütend zurückgestarrt.
Unwillkürlich hatte sie dabei ihre Rückenmuskeln angespannt, die Schultern, den Nacken, und als sie nach einer halben Stunde diese fast unbewusste Abwehrhaltung zum ersten Mal lockerte, fuhr ihr ein stechender Schmerz zwischen die Schulterblätter. Sie drehte beide Schultern ein wenig auf und ab, um ihn loszuwerden, merkte aber, dass ihre Brüste dabei in Bewegung gerieten, und stand sofort wieder stocksteif. Dann begann sie zu schwitzen.
Zuerst dachte sie, eine Fliege hätte sich unter ihre Achselhöhle gesetzt und bewege sich nun langsam über die Rippen nach unten. Schon dieser Gedanke ließ sie zuckend den seitlichen Säge- und den äußeren schrägen Bauchmuskel anspannen, um die vermeintliche Fliege zu verscheuchen, und sofort stand ihr das Bild einer Kuh vor Augen, bebend unter Fliegenschwärmen. Also fuhr sie mit der Hand über die kitzelnden Stellen und registrierte eine erhebliche Nässe an ihrem Daumen, ehe sie wieder erstarrte. Danach verfolgte, erspürte sie fast interessiert die Wege einzelner Schweißtropfen an beiden Seiten ihres Körpers, über die Hüften hinab, bis in die Kniekehlen.
Nach einer
Weitere Kostenlose Bücher