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Das blaue Zimmer

Das blaue Zimmer

Titel: Das blaue Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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hin, ging durch die kühle Diele, durch das Wohnzimmer, durch die Terrassentür und die zwei Stufen hinunter, die auf den Rasen führten. In einer nahezu apathi schen Erschöpfung, für die um diese Zeit überhaupt kein An laß bestand, ließ sie sich in einen durchhängenden Liegestuhl fallen. Die Sonne schien ihr in die Augen, und sie hob einen Arm, um sich vor dem gleißenden Licht zu schützen, und so gleich brachen Geräusche herein, die Beachtung forderten. Die Kinder kamen aus der Dorfschule, die Kirchturmuhr, die immer etwas nachging, schlug die halbe Stunde. Ein Auto fuhr die Straße entlang, bog in das Tor ein und kam knirschend auf der kiesbestreuten Zufahrt vor der zweiten Haustür auf der anderen Seite von Veronicas Haus zum Stehen.
    Sie dachte müßig: Der Professor ist zu Hause.
     
     
    Sie war nun seit zwei Jahren Witwe. Als Ehefrau hatte sie in London gelebt, in einer geräumigen Wohnung in der Nähe der Albert Hall, doch nach dem Tod ihres Mannes war sie auf An raten von Frank Kirdy, der ihr Anwalt und zugleich ihr bester Freund war, in das Dorf und das Haus zurückgekehrt, wo sie a ls Kind gelebt hatte. Es schien natürlich und vernünftig. Die Kinder liebten die ländliche Umgebung, den Strand und das Meer; sie war von Nachbarn und Leuten umgeben, die sie ihr Leben lang gekannt hatte.
    Es hatte allerdings ein, zwei Einwände gegeben.
    „Aber das Haus ist so groß, Frank. Viel zu groß für mich und die zwei Kinder.“
    „Aber es ließe sich ganz leicht teilen, und du könntest die andere Hälfte vermieten.“
    „Aber der Garten… “
    „Den Garten könntest du auch teilen. Pflanz eine Hecke. Du hättest immer noch zwei reichlich große Rasen.“
    „Aber wer würde dort hinziehen?“
    „Wir hören uns um. Es findet sich bestimmt jemand.“ Und es fand sich jemand. Professor Rydale. „Wer ist Professor Rydale?“ fragte sie.
    „Ich war mit ihm in Oxford“, sagte Frank. „Er ist Archäo loge. Professor an der Universität von Brookbridge.“
    „Aber wenn er in Brookbridge ist, warum will er dann nach Cornwall ziehen?“
    „Er nimmt ein Jahr Urlaub. Er muß ein Buch schreiben. Mach nicht so ein gequältes Gesicht, Veronica, er ist Jung geselle und vollkommen selbständig. Zweifellos wird eine häusliche Frau aus dem Dorf kommen und ihn versorgen, und du wirst gar nicht merken, daß er da ist.“
    „Aber wenn ich ihn nicht mag?“
    „Meine Liebe, man kann sich über Marcus Rydale ärgern, man kann sich über ihn amüsieren, man kann sich von ihm belehren lassen, aber es ist unmöglich, ihn nicht zu mögen.“
    „Na dann… “ Zögernd hatte sie eingewilligt. „In Ord nung.“
    Und so wurden Haus und Rasen geteilt, und der Professor wurde benachrichtigt, daß er einziehen könne, sobald es ihm paßte. Kurz darauf erhielt Veronica eine unleserliche und un frankierte Postkarte, welche, nachdem sie entziffert war, ihr ankündigte, daß er am Sonntag zu erwarten sei. Sonntag, Montag und Dienstag kamen und gingen. Am Mittwoch, mit ten beim Mittagessen, traf der Professor ein. Er fuhr einen Sportwagen, der aussah, als sei er mit Tesafilm zusammenge klebt. Er trug eine Brille, einen Tweedhut und einen ausgebeul ten Tweedanzug, und er brachte weder eine Entschuldigung noch eine Erklärung vor.
    Veronica, bereits amüsiert und verärgert, übergab ihm seine Schlüssel. Die Kinder lungerten fasziniert herum, sie hofften, hereingebeten zu werden, um ihm beim Auspacken zu helfen, aber er machte sich so unvermittelt aus dem Staub, wie er ge kommen war, und ward kaum wiedergesehen. Binnen zwei Tagen fand sich Mrs. Thomas ein, die Frau des Briefträgers, sie kam und ging, um ihm den Haushalt zu führen, ihm Paste ten und mächtige Früchtekuchen zu backen. Noch ehe eine Woche um war, hatten sie ihn fast vergessen. Er richtete sich ein, behaglich wie ein Eichhörnchen, und in all den kommenden Monaten wurde Veronica nur an ihn erinnert, wenn seine Schreibmaschine zu den unmöglichsten Zeiten mitten in der Nacht zu klappern begann oder er mit seinem kleinen Wagen aus der Einfahrt und die Straße zum Dorf entlangflitzte, um zu seltsamen Exkursionen zu verschwinden, die manchmal zwei, drei Tage dauerten.
    Doch hin und wieder tauchte er auf und knüpfte Kontakt zu den Kindern. Einmal fiel Sally vom Fahrrad, er fuhr zufällig gerade vorbei und hielt an, um sie aus dem Graben aufzulesen, das verbogene Vorderrad zu richten und ihr ein Taschentuch für ihr blutendes Knie zu leihen.
     „Er war nett, Mami,

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