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Das blaue Zimmer

Das blaue Zimmer

Titel: Das blaue Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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das Tor ein und raste die Zufahrt hinauf. Emily hatte kaum Zeit, die Treppe hinunter zugehen, da waren sie schon im Haus, zwei stämmige Männer mit einer Trage und eine Krankenschwester mit einer Tasche. Emily traf sie in der Diele. „Ich glaube, es ist keine Zeit mehr, sie ins Krankenhaus zu bringen.“
    „Wir werden sehen“, sagte die Schwester. „Wo ist sie?“
    „Oben. Erste Tür links. Auf dem Bett sind Handtücher und eine Gummiunterlage.“
    „Braves Mädchen“, sagte die Schwester forsch und ver schwand die Treppe hinauf, die Sanitäter hinterdrein. Gleich nach dem Krankenwagen erschien noch ein Auto, hielt mit quietschenden Bremsen auf dem Kies, und wie eine Gewehr kugel schoß der Doktor heraus.
    Doktor Meredith war ein alter Freund von Emily. Er fragte: „Was gibt’s?“
    Sie sagte es ihm. „Es ist einen Monat zu früh. Ich glaube, das muß an der Hitze liegen.“ Er gestattete sich ein kleines, ver trauliches Lächeln. „Ist das schlimm, oder wird es gutgehen ?“ fragte Emily.
    „Wir werden sehen.“ Er steuerte auf die Treppe zu. „Was soll ich jetzt tun?“ wollte Emily von ihm wissen.
    Er blieb stehen und drehte sich nach ihr um. Er hatte einen Ausdruck im Gesicht, den Emily noch nie gesehen hatte. Er sagte: „Mir scheint, du hast schon alles getan. Deine Mutter wäre stolz auf dich. Willst du dich nicht ein bißchen ausruhen? Geh in den Garten und setz dich in die Sonne. Ich sag dir Be scheid, sobald es soweit ist.“
     
     
    Deine Mutter wäre stolz auf dich. Sie durchquerte das Wohn zimmer, trat durch die offene Glastür auf die Terrasse. Sie setzte sich auf die oberste Stufe der kleinen Treppe, die auf den Rasen hinunterführte. Mit einemmal war sie sehr müde. Sie stemmte die Ellbogen auf die Knie und stützte das Kinn in die Hände. Deine Mutter wäre stolz auf dich. Sie dachte an ihre Mutter. Merkwürdig, sie fühlte sich nicht mehr elend dabei. Das quälende Verlangen nach einem Menschen, den es nicht mehr gab, war verschwunden. Sie sann darüber nach. Viel leicht brauchte man Menschen nur, wenn andere einen nicht brauchten.
    Sie saß noch grübelnd da, als Dr. Meredith eine halbe Stunde später durch die Glastür zu ihr hinauskam. Sie hörte seine Schritte auf den Steinplatten und drehte sich nach ihm um. Er hatte seine Jacke ausgezogen und die Hemdsärmel auf gekrempelt. Er kam langsam heran und setzte sich zu ihr. Er sagte: „Du hast ein Schwesterchen. Sechseinhalb Pfund und kerngesund.“
    „Und Stephanie?“
    „Ein bißchen matt, aber sie strahlt. Eine Bilderbuch-Mutter.“
    Ein Lächeln breitete sich auf Emilys Gesicht aus, und gleich zeitig bildete sich ein Kloß in ihrer Kehle, und ihre Augen füll ten sich mit Tränen. Dr. Meredith reichte ihr wortlos ein gro ßes weißes Stofftaschentuch, und Emily setzte ihre Brille ab, wischte sich die Augen und putzte sich die Nase.
    „Weiß Daddy es schon?“
    „Ja. Ich habe eben mit ihm telefoniert. Er kommt sofort nach Hause. Er wird gegen Mitternacht hier sein. Der Kran kenwagen ist wieder weggefahren, aber die Schwester bleibt über Nacht hier.“
    „Wann darf ich das Baby sehen?“
    „Du kannst es jetzt sehen, wenn du willst. Aber nur kurz.“
    Emily stand auf. „Ich will’s sehen“, sagte sie.
    Sie gingen ins Haus. Oben gab die Schwester, geschäftig und tüchtig, Emily eine Mullmaske, die sie sich vors Gesicht binden mußte. „Nur für alle Fälle“, sagte sie. „Das Baby ist eine Früh geburt, und wir wollen kein Risiko eingehen.“
    Emily band sich folgsam die Maske um. Sie ging mit Doktor Meredith in das blaue Schlafzimmer. Und in dem schönen Bett lag Stephanie, auf Kissen gestützt. Und in ihren Armen, in ein Tuch gehüllt, auf dem Köpfchen einen Haarflaum von dersel ben Farbe wie Stephanies Haare, lag das neugeborene Baby. Emily sagte verwundert: „Ist die süß.“
    „Wir haben sie zusammen auf die Welt gebracht“, sagte Ste phanie schläfrig zu ihr. „Ich habe das Gefühl, sie ist dein Kind so gut wie meins.“
    „Du gibst eine prima kleine Krankenschwester ab, Emily“, warf die Schwester ein. „Ich hätte es selbst nicht besser machen können.“
    Stephanie sagte: „Jetzt sind wir eine Familie.“
    „ Hast du dir das gewünscht?“ fragte Emily.
    „Ich habe es mir mehr gewünscht als alles andere.“
    Eine Familie. Alles hatte sich verändert, alles war anders ge worden, aber das bedeutete nicht, daß es nicht gut sein konnte. Als sie den Doktor hinausgeführt hatte und sein Auto um die

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