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Das blaue Zimmer

Das blaue Zimmer

Titel: Das blaue Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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für eine Partie Golf zu haben, und ein brauchbarer Spieler im Tennisclub, aber entschieden ein eingefleischter Junggeselle. Wie würde er damit zurechtkommen?
    Er kam damit zurecht, indem er die zwei kleinen Mädchen wie Erwachsene behandelte. Sie hießen Emily und Anna. Emily war acht, Anna sechs. Obwohl er entschlossen war, sich nicht von ihnen einschüchtern zu lassen, machten ihn ihre starren Blicke nervös. Sie hatten beide lange blonde Haare und verblüffend strahlende blaue Augen. Diese zwei Augenpaare beobachteten ihn unaufhörlich, bewegten sich mit ihm durchs Zimmer, ließen weder Zuneigung noch Abneigung erkennen.
    Sie waren sehr höflich. Als er um ihre Mutter warb, machte er ihnen von Zeit zu Zeit kleine Geschenke. Dropsrollen, Puzzles oder Spiele. Anna, das weniger komplizierte Kind, freute sich über die Sachen, packte sie gleich aus und bewies ihr Entzücken durch ein Lächeln oder gelegentlich durch eine dankbare Umarmung. Aber Emily war aus anderem Holz geschnitzt. Sie bedankte sich höflich bei ihm, dann verschwand sie mit dem unausgepackten Päckchen, um sich im stillen ihrer Beute zu widmen und vermutlich für sich allein zu entscheiden, ob sie sich freuen sollte oder nicht.
    Einmal war es ihm gelungen, Annas HE-MAN zu reparieren – sie spielte nicht mit Puppen –, und von da an hatten sie ein recht gutes Verhältnis zueinander, aber jedwede Zuneigung, die Emily aufzuweisen hatte, wurde ausschließlich ihren Tieren gewidmet. Sie hatte drei. Einen abscheulichen Kater, der unermüdlich auf Jagd ging und gewissenlos alles Eßbare stahl, in das er seine scharfen Krallen schlagen konnte, einen stinken den alten Spaniel, der nie ins Freie gehen konnte, ohne ver dreckt nach Hause zu kommen, und einen Goldfisch. Der Ka ter hieß Breeky, der Hund hieß Henry, und der Goldfisch hieß Gilbert. Breeky, Henry und Gilbert waren drei von den vielen guten Gründen, weswegen Bill in Clodaghs Haus gezogen war. Man konnte sich für diese drei anspruchsvollen Ge schöpfe kein anderes Heim vorstellen.
    Emily und Anna nahmen in rosa und weißen Kleidern mit rosa Satinschärpen an der Hochzeit teil. Alle sagten, sie sähen aus wie Engel, aber während der ganzen Trauungszeremonie spürte Bill zu seinem Unbehagen, wie ihre kühlen blauen Augen Löcher in seinen Nacken bohrten. Anschließend war fen sie brav ein paar Konfetti und aßen ein bißchen von der Hochzeitstorte, dann gingen sie mit zu Clodaghs Mutter, die sie bei sich aufnahm, während Clodagh und Bill in die Flitter wochen fuhren.
    Sie verbrachten sie in Marbella, und die sonnigen Tage verstrichen, ein jeder etwas schöner als der vorige, bereichert von Gelächter, gemeinsamen Erlebnissen und sternenklaren Nächten, in denen sie sich bei geöffneten Fenstern in der sam tenen Dunkelheit liebten, während am Strand unterhalb des Hotels das Meer wisperte.
    Am Ende aber vermißte Clodagh ihre Kinder. Sie sagte Marbella traurig Lebewohl, doch Bill wußte, daß sie sich auf zu Hause freute. Als sie in die kurze Zufahrt zu ihrem .Haus einbogen, warteten Emily und Anna dort auf sie, mit einer selbstgemachten Flagge, die sie hochhielten und die in unbeholfenen Großbuchstaben verkündete: WILLKOMMEN DAHEIM.
    Willkommen daheim. Jetzt war es sein Heim. Jetzt war er nicht nur Ehemann, sondern auch Vater. Wenn er jetzt ins Büro fuhr, hatte er zwei kleine Mädchen auf dem Rücksitz seines Wagens, die er vor ihrer Schule absetzte. Jetzt spielte er am Wochenende nicht Golf, sondern mähte den Rasen, pflanzte Kopfsalat und reparierte allerlei Dinge. Ein Haus ohne Handwerker kann leicht verwahrlosen, und in diesem Haus war seit fast drei Jahren kein Mann gewesen. Die quiet schenden Angeln, kaputten Toaster und bockenden Rasen mäher schienen kein Ende zu nehmen. Im Freien hingen Gatter durch, fielen Zäune um, mußten Schuppen mit Kresol eingelassen werden.
    Zudem waren da Emilys Tiere, die sich an kritischen und dramatischen Situationen zu weiden schienen. Der Kater ver schwand für drei Tage und wurde schon als tot aufgegeben, da erschien er wieder mit einem zerrissenen Ohr und einer häßlichen Wunde an der Seite. Kaum hatten sie ihn zum Tier arzt gefahren, als der alte Hund etwas Undefinierbares fraß und vier Tage krank war. Er lag in seinem Korb und sah Bill mit rotgeränderten, vorwurfsvollen Augen an, als sei er an allem schuld. Nur Gilbert, der Goldfisch, blieb eintönig gesund und schwamm in seinem Behälter ziellose Kreise, doch auch er benötigte ständige

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