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Das blaue Zimmer

Das blaue Zimmer

Titel: Das blaue Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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Kurve der Zufahrt verschwunden war, ging Emily nicht gleich wieder ins Haus. Es dunkelte jetzt, der Garten war dämmerig und roch lieblich. Es war ein langer, heißer Tag gewesen. Der erste Stern leuchtete am saphirblauen Himmel. Ein schöner Abend. Genau der richtige Abend für einen Menschen, um mit dem Leben zu beginnen. Genau der richtige Abend für einen Menschen, um mit dem Erwachsenwerden zu beginnen.
    Sie war sehr müde. Sie setzte ihre Brille ab und rieb sich die Augen. Nachdenklich betrachtete sie die Brille. Kontaktlinsen wären vielleicht gar nicht so schlecht. Wenn Stephanie es ertra gen konnte, ein Baby zu bekommen, dann konnte Emily gewiß lernen, Haftschalen zu tragen.
    Sie wollte es probieren. Sobald sie alt genug wäre, wollte sie es probieren.

Gilbert
     

     
     
     
     
     
     
     
    A ufwachen. Ohne die Augen zu öffnen, Sonnenlicht und einen Streifen Wärme quer über dem Bett wahrnehmend, war Bill Rawlins von einem herrlichen Gefühl von Zufrieden heit und Wohlbefinden durchdrungen. Erfreuliche Gedanken gingen ihm durch den Kopf. Daß Sonntag war und er nicht zur Arbeit mußte. Daß es ein schöner Tag werden würde. Daß der warme, weiche Körper seiner Frau neben ihm lag, ihr Kopf in seine Armbeuge geschmiegt. Daß er höchstwahrscheinlich einer der glücklichsten Menschen auf Erden war.
    Das Bett war groß und weich. Eine alte Tante von Bill hatte es ihnen zur Hochzeit geschenkt, als er Clodagh vor zwei Mo naten geheiratet hatte. Es sei ihr Ehebett gewesen, hatte die Tante ihm mit einem gewissen Behagen erklärt, und um das Geschenk attraktiver zu machen, hatte sie es mit einer schönen neuen Matratze und sechs ererbten Garnituren Leintücher ausgestattet.
    Das Bett war neben seinem Schreibtisch und seinen Kleidern der einzige Gegenstand im Haus, der Bill gehörte. Eine Witwe zu heiraten hatte gewisse Komplikationen mit sich gebracht, aber die Frage, wo sie wohnen sollten, gehörte nicht dazu; denn es konnte nicht die Rede davon sein, daß Clodagh und ihre zwei kleinen Mädchen in Bills Zwei-Zimmer-Junggesel lenwohnung zogen, und es erschien ihnen sinnlos, die Mühen und Kosten, die der Kauf eines neuen Hauses mit sich brachte, auf sich zu nehmen, wenn das ihre einfach ideal war. Seine Wohnung war mitten in der Stadt gewesen, und er hatte zu Fuß zum Büro gehen können; dieses Haus aber lag ungefähr an derthalb Kilometer außerhalb auf dem Land und verfügte zu dem über den Vorteil eines großen, üppig bepflanzten Gartens. Außerdem, hatte Clodagh erklärt, sei es das Zuhause der Kinder. Hier hatten sie ihre Geheimverstecke, die Schaukel in der Platane, das Spielzimmer im Dachgeschoß.
    Bill mußte nicht überredet werden. Es lag einfach auf der Hand.
    „Du willst in Clodaghs Haus ziehen?“ hatten seine Freunde ausgerufen und erstaunte Gesichter gemacht. „Warum nicht?“
    „Ist das nicht ein bißchen heikel? Schließlich hat sie dort mit ihrem ersten Mann gelebt.“
    „Und zwar sehr glücklich“, erklärte Bill. „Und ich hoffe, daß sie mit mir genauso glücklich wird.“
    Clodaghs Ehemann, der Vater ihrer zwei kleinen Mädchen, war vor drei Jahren bei einem tragischen Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Obwohl Bill seit einigen Jahren in der Ge gend gearbeitet und gelebt hatte, begegnete er ihr erst zwei Jahre später, als er, um die Zahl vollzumachen, als Tischpartner zu einer Abendgesellschaft eingeladen war und neben eine große, schlanke junge Frau zu sitzen kam, deren dichte blonde Haare im Nacken elegant zu einem Knoten geschlungen waren.
    Er fand ihr zartes Gesicht auf Anhieb schön und doch zu gleich traurig. Ihre Augen waren ernst, ihre Rede stockend. Diese Traurigkeit rührte an sein rauhes, erfahrenes Herz. Ihr zarter Hals, durch die altmodische Frisur entblößt, schien ihm verletzlich wie der eines Kindes, und als er sie schließlich zum Lachen brachte und ihr Lächeln sich mit seinem traf, verliebte er sich Hals über Kopf wie ein junger Mann.
    „Du willst sie heiraten?“ fragten dieselben erstaunten Freunde. „Eine Witwe zu heiraten ist eine Sache. Eine fix und fertige Familie zu heiraten ist etwas ganz anderes.“
    „Es hat Vorteile.“
    „Schön, daß du so denkst, alter Knabe. Hattest du schon mal mit Kindern zu tun?“
    „Nein“, gab er zu, „aber es ist nie zu spät, um damit anzu fangen.“
    Clodagh war dreiunddreißig, Bill war siebenunddreißig. Ein eingefleischter Junggeselle und als solcher bekannt. Ein gutaussehender, fröhlicher Bursche, immer

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