Das blaue Zimmer
Pflege und Zuwendung, sein Behälter mußte saubergemacht und in der Tierhandlung mußte Spe zialfutter gekauft werden.
Bill bewältigte dies alles, so gut er konnte, und blieb mit Be dacht geduldig und heiter. Wenn Wutausbrüche tobten und es Zank und Streit gab, die gewöhnlich mit „Das ist nicht fair!“ und erderschütterndem Türenknallen endeten, hielt er sich heraus, überließ Clodagh die erforderliche Schlichtung, in großer Angst, hineingezogen zu werden und etwas Falsches zu sagen oder zu tun.
„Was war denn los?“ fragte er dann, wenn Clodagh hinter her zu ihm kam, aufgebracht, belustigt, erschöpft, aber nie böse, und sie versuchte es zu erklären und ließ es dann bleiben, weil er nach ungefähr einer Minute den Arm um sie legte und sie küßte und es nahezu unmöglich ist, gleichzeitig zu erklären und geküßt zu werden. Es erstaunte ihn, daß ihnen bei all dem häuslichen Auf und Ab die Verzauberung, die sie in Marbella entdeckt hatten, nicht abhanden kam. Immer noch schien alles mit jedem Tag schöner zu werden, und er liebte seine Frau bis an die Grenzen seines Seins.
Und jetzt war Sonntag morgen. Warme Sonne, warmes Bett, warme Frau. Er wandte den Kopf und grub sein Gesicht in ihren Hals, roch ihr seidiges, duftendes Haar. Dabei schlug in seinem Innern eine Alarmglocke. Er wurde beobachtet. Er drehte sich um und öffnete die Augen.
Emily und Anna saßen in ihren Nachthemden, die Haare vom Schlaf zerzaust, auf der Messingstange am Fußende des Bettes und beobachteten ihn. Acht und sechs. War das zu früh, um in der Schule mit Sexualkunde zu beginnen? Er hoffte es.
Er sagte: „Hallo, ihr zwei.“
Anna sagte: „Wir haben Hunger. Wir wollen frühstücken.“
„Wie spät ist es?“
Sie spreizte die Hände. „Weiß nicht.“
Er langte nach seiner Uhr. „Acht Uhr“, sagte er zu ihnen.
„Wir sind seit einer Ewigkeit wach, und wir sind am Ver hungern.“
„Eure Mutter schläft noch. Ich mache euch Frühstück.“
Sie rührten sich nicht. Vorsichtig zog er seinen Arm unter Clodaghs Schultern hervor und setzte sich auf. Ihre Gesichter zeigten Mißbilligung über seine Nacktheit.
Er sagte: „Geht euch anziehen und die Zähne putzen, und wenn ihr fertig seid, hab ich das Frühstück auf dem Tisch.“
Sie gingen. Ihre nackten Füße patschten auf dem gebohner ten Fußboden. Als sie außer Sicht waren, stieg er aus dem Bett, zog einen Bademantel an, schloß leise die Schlafzimmertür hinter sich und ging nach unten. In der Küche schnarchte Henry in seinem Korb. Bill weckte ihn mit dem Zeh, und der alte Hund gähnte, kratzte sich ausgiebig und bequemte sich schließlich aus seinem Lager. Bill öffnete die Hintertür zum Garten und ließ Henry ins Freie. Im selben Moment erschien Breeky aus dem Nichts, mehr denn je wie ein ramponierter al ter Tiger aussehend, und schoß an Bills nackten Beinen vorbei in die Küche. Er hatte eine große tote Maus im Maul, die er mitten auf den Fußboden legte, dann setzte er sich vor sie hin, um sie zu vertilgen.
Für einen derartigen Kannibalismus war es noch zu früh am Tag. Unter Gefahr für Leib und Leben bemächtigte sich Bill der Maus und warf sie in den Mülleimer unter der Spüle. Breeky war wütend und kreischte dermaßen, daß Bill sich gezwungen sah, ihn mit einer Untertasse Milch zu beruhigen. Breeky schlabberte sie so schlampig er konnte, er verspritzte Milch über das ganze Linoleum, und als die Untertasse leer war, sprang er auf die Bank vor dem Fenster, verengte die Augen zu gelben Schlitzen und begann sich zu putzen.
Nachdem Bill die Milch aufgewischt hatte, setzte er Wasser auf, stellte Bratpfanne, Eier und Speck zurecht. Er steckte das Brot in den Toaster und deckte den gescheuerten Kiefernholz tisch. Als er damit fertig war, waren die zwei kleinen Mädchen noch nicht erschienen, deshalb ging er nach oben, um sich an zuziehen. Als er sich ein altes Baumwollhemd überzog, hörte er sie, mit hellen Stimmchen plappernd, in die Küche hinuntergehen. Sie klangen ganz fröhlich, doch gleich darauf drang ein so verzweifeltes Heulen zu ihm hinauf, daß ihm eisig ums Herz wurde.
Das Hemd noch nicht zugeknöpft, schoß er zum Treppen podest. „Was ist los?“
Neues Geheul. Sich alle möglichen Schrecknisse ausmalend, raste er in die Küche hinunter. Dort standen Emily und Anna mit dem Rücken zu ihm und starrten in das Goldfischglas. Annas Augen schwammen in Tränen, doch Emily schien zu erschüttert, um zu weinen.
„Was ist
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