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Das blaue Zimmer

Das blaue Zimmer

Titel: Das blaue Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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übernachtete, saß Ellen beim Abendessen zwischen einem Kabinettsminister und einem jungen Mann mit pinkfarbenen Haaren und einem einzelnen Ohrring. Das Be mühen, sich mit dem einen oder anderen dieser Individuen zu unterhalten, war ein aufreibendes Erlebnis gewesen.
    Hinterher hatte Ellen sich Vorwürfe gemacht. „Ich habe nichts, worüber ich reden kann“, sagte sie zu James. „Außer, wie ich Marmelade koche und meine Wäsche weiß kriege, wie diese schrecklichen Frauen in der Fernsehwerbung.“
    „Du könntest über Bücher sprechen. Ich kenne keinen Men schen, der so viele Bücher verschlingt wie du.“
    „Über Bücher kann man nicht sprechen. Lesen ist lediglich das Erleben der Erlebnisse von anderen Leuten. Ich sollte etwas tun, selbst etwas erleben.“
    „Was ist mit damals, als wir die Katze verloren haben? Ist das kein Erlebnis?“
    „O James.“
    In diesem Moment wurde die Idee geboren. Sie hatte des wegen nie etwas unternommen, aber in diesem Augenblick war die Idee geboren worden. Wenn Vicky von zu Hause fort ging, vielleicht könnte sie dann… ? Ein paar Tage später er wähnte sie es abends beiläufig zu James, aber er las die Zeitung und hörte kaum zu, und als sie nach ein paar Tagen noch ein mal darauf zu sprechen kam, hatte er es, überaus freundlich, mit Gleichgültigkeit zugeschüttet, ganz so, als leerte er einen Wassereimer über einem Feuer aus.
    Sie seufzte, ließ Bestrebungen Bestrebungen sein und las Cynthias Brief.
     
    Liebste Ellen! Wollte der Karte noch schnell
    ein paar Zeilen beifügen, bloß um mich mal
    zu melden und Dir das Neueste mitzuteilen.
    Ich glaube nicht, daß Du die Sanderfords,
    Cosmo und Ruth, mal kennengelernt hast,
    als Du hier warst.
     
    Ellen hatte die Sanderfords nicht kennengelernt, aber das bedeutete nicht, daß sie nicht genau wußte, wer sie waren. Wer hatte nicht von den Sanderfords gehört? Er war ein bedeutender Filmregisseur, sie war Schriftstellerin und verfaßte ironi sche, komische Familienromane. Wer hatte die beiden nicht bei Podiumsdiskussionen im Fernsehen erlebt? Wer hatte Ruths Artikel über die Erziehung ihrer vier Kinder nicht gele sen? Wer hatte seine Filme nicht bewundert, mit ihrer ver steckten, originellen Aussage, ihrer Empfindsamkeit und visu ellen Schönheit? Was sie auch taten, die Sanderfords waren eine Nachricht wert. Allein ihnen zuzusehen genügte, um einem gewöhnlichen Sterblichen das Gefühl zu geben, fade und vollkommen unzulänglich zu sein. Die Sanderfords. Leicht verzagt las Ellen weiter:
     
    Sie haben sich vor einem Jahr scheiden lassen,
    in aller Freundschaft, und von Zeit zu Zeit
    kann man sie immer noch zusammen beim
    Mittagessen sehen. Aber sie hat sich in Deiner
    Nähe ein Haus gekauft, und ich bin über-zeugt , daß sie sich über einen Besuch freuen
    würde. Ihre Adresse ist Monk’s Thatch,
    Trauncey, und die Telefonnummer ist Traun-cey 232. Ruf sie mal an und sag ihr, ich habe
    Dir gesagt, du solltest Dich mal bei ihr mel den.
    Fröhliche Weihnachten, viele liebe Grüße,
    Cynthia.
     
    Trauncey war nur anderthalb Kilometer entfernt, praktisch nebenan. Und Monk’s Thatch war eine alte Wildhüterhütte, an der monatelang ein Schild „Zu verkaufen“ angebracht ge wesen war. Jetzt mußte das Schild wohl verschwunden sein, denn Ruth Sanderford hatte das Häuschen gekauft und wohnte dort ganz allein, und von Ellen wurde erwartet, daß sie mit ihr Verbindung aufnahm.
    Bei dieser Aussicht war ihr bange zumute. Wenn der Neuankömmling ein normaler Mensch gewesen wäre, eine allein stehende Frau, die Gesellschaft und den Trost einer Freundin brauchte, das wäre etwas anderes gewesen. Aber Ruth Sanderford war kein normaler Mensch. Sie war berühmt, klug, genoß vermutlich ihr neugewonnenes Alleinsein nach einem glanz vollen Leben künstlerischer Erfüllung, verbunden mit der schieren Plackerei, vier Kinder aufzuziehen. Sie würde Ellen langweilig finden und Cynthia den Vorschlag verübeln, daß Ellen sich bei ihr melden sollte.
    Der Gedanke an den kühlen Empfang, der ihren vorsichtigen Annäherungen womöglich bereitet würde, ließ Ellens Phantasie erschrocken Reißaus nehmen. Irgendwann würde sie hingehen. Nicht vor Weihnachten. Vielleicht am Neujahrstag. Im Moment hatte sie ohnehin zuviel zu tun. Apfelpasteten backen, Listen schreiben …
    Sie schlug sich Ruth Sanderford aus dem Kopf, ging nach oben und machte ihr Bett. Die Tür von Vickys Zimmer gegen über dem Treppenpodest war geschlossen. Sie öffnete

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