Das blaue Zimmer
Herz tat einen kleinen Ruck. Sie legte Blumen und Gar tenschere auf die Dielenkommode und ging ins Wohnzimmer. Die Möbel waren verrückt, die Vorhänge über Stühle drapiert, um das Bohnern des Fußbodens zu erleichtern. Das Telefon stand auf dem Schreibtisch. Sie nahm den Hörer auf.
„David?“
„Eve.“
„Ja?“
„Eve…Jane ist… “
„Was ist passiert?“
„Nichts ist passiert. Bloß, heute nacht dachten wir, das Baby käme… und dann hörten die Schmerzen wieder auf. Aber heute morgen war der Arzt da, und ihr Blutdruck war ein biß chen hoch, da hat er sie ins Krankenhaus gebracht… “
Er brach ab. Nach einer kleinen Weile sagte Eve: „Aber das Baby ist erst in einem Monat fällig.“
„Ich weiß. Das ist es ja eben.“
„Soll ich kommen?“
„Kannst du?“
„Ja.“ Ihre Gedanken flogen voraus, überprüften den Inhalt der Tiefkühltruhe, sagten Verabredungen ab, überlegten, wie sie Walter allein lassen könnte. „ja, natürlich. Ich nehme den Zug um halb sechs. Dann müßte ich gegen Viertel vor acht bei euch sein.“
„Ich hole dich am Bahnhof ab. Du bist ein Engel.“
„Geht’s Jamie gut?“
„Ja. Nessie Cooper paßt auf ihn auf. Sie wird sich um ihn kümmern, bis du hier bist.“
„ Bis dann.“
„Tut mir leid, daß ich dich damit behellige.“
„Ist schon in Ordnung. Grüße Jane von mir. Und, Da vid…“ Noch während sie es sagte, wußte sie, daß es lächerlich war, „… mach dir keine Sorgen.“
Langsam legte sie den Hörer auf. Sie sah Mrs. Abney an, die in der Tür stand. Mrs. Abneys heitere Miene war verschwunden, sie hatte einer Besorgnis Platz gemacht, die sich in Eves Ge sichtsausdruck widerspiegelte. Sie bedurften keiner Worte oder Erklärungen. Sie waren alte Freundinnen. Mrs. Abney arbeitete seit über zwanzig Jahren bei Eve. Mrs. Abney hatte Jane aufwachsen sehen, sie war in einem türkisfarbenen Ko stüm mit passender Kappe zu Janes Hochzeit gekommen. Als Jamie geboren wurde, hatte Mrs. Abney ihm eine blaue Decke für seinen Kinderwagen gestrickt. Sie gehörte in jeder Hinsicht zur Familie.
Sie sagte: „Es ist doch nichts schiefgegangen?“
„Sie glauben, das Baby ist unterwegs. Es ist einen Monat zu früh.“
„Sie müssen hin.“
„Ja“, sagte Eve matt.
Sie hatte ohnehin fahren wollen, hatte alles für nächsten Monat geplant. Walters Schwester sollte aus Südengland kommen, um ihm Gesellschaft zu leisten und für ihn zu ko chen, aber es stand außer Frage, daß sie jetzt kam, so kurz fristig.
Mrs. Abney sagte: „Seien Sie unbesorgt wegen Mr. Doug las. Ich kümmere mich um ihn.“
„Aber Mrs. Abney, Sie haben schon genug zu tun – Ihre Familie…“
„Wenn ich’s morgens nicht schaffe, komm ich nachmittags auf ‘nen Sprung vorbei.“
„Sein Frühstück kann er sich selber machen… “ Aber irgendwie verschlimmerte das die Situation, als sei der arme Walter zu nichts anderem fähig, als sich ein Ei zu kochen. Doch darum ging es nicht, und das wußte Mrs. Abney. Walter mußte den Hof bewirtschaften; er arbeitete von sechs Uhr früh bis Sonnenuntergang oder noch länger im Freien. Er brauchte, be kam und vertilgte Mahlzeiten in riesigen Portionen, denn er war ein großer Mann und ein schwer arbeitender noch dazu. Er benötigte tatsächlich viel Fürsorge.
„Ich – ich weiß nicht, wie lange ich weg sein werde.“
„Hauptsache“, sagte Mrs. Abney, „Jane geht es gut und dem Baby auch. Da gehören Sie jetzt hin.“
„Ach, Mrs. Abney, was würde ich ohne Sie anfangen?“
„Eine Menge, denk ich“, sagte Mrs. Abney, die als wasch echte Einwohnerin von Northumberland nichts davon hielt, Gefühle zu zeigen. „Und wie wär’s, wenn ich uns jetzt einen schönen heißen Tee mache?“
Der Tee war eine gute Idee. Während sie ihn trank, stellte Eve Listen auf. Als sie fertig getrunken hatte, holte sie den Wa gen heraus, fuhr das kurze Stück zur nächsten Stadt, ging in den Supermarkt und kaufte einen Vorrat an allen Lebensmitteln, die Walter notfalls selbst zubereiten konnte. Suppen dosen, Quiches, Tiefkühlpasteten, tiefgefrorenes Gemüse. Sie kaufte Brot, Butter, pfundweise Käse. Eier und Milch lieferte der Hof selbst, aber der Metzger packte Koteletts, Steaks und Würste ein, suchte Fleischreste und Knochen für die Hunde zu sammen, versprach, einen Lieferwagen zum Hof zu schicken, falls es sich als notwendig erweisen sollte.
„Fahren Sie weg?“ fragte er, während er mit seinem Hack messer einen
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