Das Blut - Del Toro, G: Blut - The Fall
innerstes Wesen offenbarte.
Es hatte den Meister viel Zeit und Mühe gekostet, die Stimmen, die in ihm wohnten, zum Schweigen zu bringen; erst dann war seine wahre Stimme zum Vorschein gekommen. Ein gefährliches Unterfangen, denn die Stimmen - unter ihnen auch die von Jusef Sardu, des jungen polnischen Adligen, dessen Körper der Meister nutzte - dienten ihm als Tarnung, sie verbargen seine Anwesenheit, seinen Aufenthaltsort,
seine Gedanken vor den übrigen Alten. Die Stimmen beschützten ihn.
Der Meister hatte das Summen bei der Landung des Flugzeugs eingesetzt, und nun diente es dazu, ihm absolute Ruhe zum Nachdenken zu verschaffen. Er befand sich in einer Betonkammer tief im Erdboden unter einem mehr oder weniger verlassenen Schlachthof - das Refugium des Meisters inmitten eines Labyrinths aus gewundenen Tunneln und Gängen. Hier hatte man einst Blut und Schlachtabfälle gesammelt, doch vor der Ankunft des Meisters war sein Domizil gründlich gereinigt worden, und nun erinnerte der Raum eher an eine Kapelle zu Ehren eines vergangenen Industriezeitalters.
Die pochende Wunde auf seinem Rücken - die Wunde, die erst das Schwert und dann die Strahlen der Sonne gerissen hatten - war inzwischen verheilt. Der Meister hatte keine Angst, dass sein Körper durch die Schwertwunde einen größeren Schaden davontragen würde - er hatte vor nichts Angst -, aber eine Narbe würde zurückbleiben, eine Entstellung, eine ständige Erinnerung an die Demütigung, die ihm der Alte und seine Menschenfreunde zugefügt hatten. Diese Narren - sie würden den Tag noch verwünschen, an dem sie sich dem Meister in den Weg gestellt hatten!
Ein leises Echo der Wut - der tiefen Empörung - fuhr durch die vielen Stimmen und den Willen, der sie einte. Der Meister war beunruhigt, verwirrt, ein durchaus erfrischendes Gefühl. Er war nicht oft empört, daher ließ er diese seltene Empfindung zu - ja, begrüßte sie sogar.
Gelächter ließ seinen Körper erzittern. Er beherrschte das Spiel, das er begonnen hatte; alle seine Schachfiguren verhielten sich, wie er es erwartet hatte. Gabriel Bolivar, der tatkräftige Anführer seiner Truppen, erwies sich als äußerst geschickt darin, die Seuche zu verbreiten; es war ihm sogar gelungen, einige Bedienstete zu rekrutieren, die seine Befehle auch bei Tageslicht befolgen konnten. Eldritch Palmers Hochmut wuchs zwar mit jedem kleinen Sieg, doch noch
befand sich der Milliardär vollständig unter der Kontrolle des Meisters. Die Sonnenfinsternis, diese seltene, heilige Konstellation, hatte den Zeitpunkt markiert, an dem sein Plan in Kraft getreten war. Bald, sehr bald, würde die ganze Welt in Flammen stehen …
Eine der Mahlzeiten auf dem Boden stöhnte auf; sie hielt krampfhaft an ihrem jämmerlichen Leben fest. Erfrischt und amüsiert sah der Meister auf sie herab. Der Chor der Stimmen in seinem Geist schwoll erneut an. Die Augen des Menschen zu seinen Füßen zeugten von Schmerz und Angst - welch unerwarteter Genuss!
Dieses Mal kostete der Meister das wunderbare Dessert bis zur Neige aus. Er hob den Körper des Menschen bis zur Decke des Gewölbes, legte sanft die Hand auf dessen Brust, direkt über dem Herzen, und lauschte freudig dem erlöschenden Pochen.
Ground Zero
Eph sprang vom menschenleeren Bahnsteig auf die Gleise und folgte Vasiliy in den U-Bahn-Tunnel, der parallel zur großen Baustelle am Ground Zero verlief. Er hätte sich nie träumen lassen, noch einmal an diesen Ort zurückzukehren. Nach allem, was sie hier gesehen und erlebt hatten, hätten ihn keine zehn Pferde mehr in das unterirdische Labyrinth gebracht, in dem sich der Bau des Meisters befand.
Doch manche Wunden verheilen schnell. Besonders mit Scotch. Ja, Scotch war wirklich eine große Hilfe.
Und so ging er wieder über die schwarzen Steine im stillgelegten Gleisbett. Passierte den Pumpensumpf, den die Maulwürfe - der traditionelle Name für New Yorks Tunnelarbeiter - zurückgelassen hatten. So wie die Ratten waren auch die Maulwürfe verschwunden.
Vasiliy trug seine bewährte Stange aus Armierungsstahl bei sich. Obwohl sie weit angemessenere, wirksamere Waffen besaßen - UV-Lampen, Silberschwerter, Nagelpistolen mit Munition aus reinem Silber -, mochte der Kammerjäger nicht auf seinen »Rattenstock« verzichten. Dabei gab es hier keine Ratten mehr; die Vampire hatten sie längst aus ihren unterirdischen Verstecken vertrieben.
Die Nagelpistole hatte es Vasiliy ebenfalls angetan. Druckluftbetriebene Nagelpistolen
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