Das Blut - Del Toro, G: Blut - The Fall
betrachtete das Gesicht seines Sohnes, versuchte, seine Miene zu deuten. Er sorgte sich um Zacks geistige Gesundheit - und um seine eigene. Seufzend rieb er sich über den Mund und spürte harte Bartstoppeln an den Lippen und am Kinn. Er hatte sich seit Tagen nicht rasiert. »Ich hab mir noch mal den Elternratgeber durchgelesen«, sagte er dann. »Leider gibt’s da kein Kapitel über Vampire.« Er lächelte, doch es sah nicht sehr überzeugend aus. Wie auch. Inzwischen gab es nichts mehr, was einen zum Lächeln bringen konnte. »Okay, das klingt jetzt ziemlich verrückt - nein, es ist verrückt, aber ich muss es einfach loswerden, Z. Du weißt, dass deine Mutter dich sehr geliebt hat. So sehr, wie eine Mutter einen Sohn nur lieben kann. Deshalb haben sie und ich das alles durchexerziert, und es muss dir zeitweise wie ein schlimmes Tauziehen vorgekommen sein. Aber das war nur, weil wir beide ohne dich nicht leben konnten. Viele Kinder glauben, dass sie dran schuld sind, wenn sich ihre Eltern trennen. Dabei warst du das Einzige, was uns noch zusammengehalten hat. Wir haben fast den Verstand verloren, weil niemand klein beigeben konnte.«
»Dad, du musst jetzt nicht …«
»Ich weiß. Aber hör mir zu. Es gibt ein paar Dinge, die ich dir sagen muss. Und zwar hier und jetzt. Vielleicht muss ich
sie selbst auch hören, verstehst du? Sie aussprechen. Weißt du, die Liebe einer Mutter ist … eine gewaltige Kraft. Weit mehr als nur menschliche Zuneigung. Sie berührt das Innerste eines Menschen. Die Liebe eines Vaters - also meine Liebe zu dir, Z - ist bei weitem das stärkste, was ich zu fühlen in der Lage bin. Aber die Liebe einer Mutter ist noch etwas anderes - es ist die vielleicht engste Verbindung zwischen zwei Menschen, die es überhaupt gibt.« Eph sah Zack an, um einzuschätzen, wie der Junge das alles aufnahm, wurde aber nicht schlau aus seiner Miene. »Und jetzt ist diese Sache passiert, diese Epidemie … Sie hat sie mit sich gerissen und alles zerstört, was gut an ihr war. Alles, was nach unseren Begriffen menschlich an ihr war. Deine Mom war hübsch und fürsorglich und … ja, sie war auch verrückt, wie alle hingebungsvollen Mütter. Du bist das große Geschenk, das die Welt ihr gemacht hat. So hat sie dich gesehen. Und so sieht sie dich immer noch. Dieser Teil ihres Lebens besteht weiter, obwohl sie jetzt … nicht mehr sie selbst ist. Sie ist nicht mehr Kelly Goodweather, nicht mehr Mom, und das zu akzeptieren ist für uns beide sehr schwierig. Alles, was von ihr noch übrig ist, ist die Verbindung zu dir. Und weil diese Verbindung etwas Heiliges ist, wird sie in alle Ewigkeit bestehen bleiben. Was wir so leichtfertig Liebe nennen, ist nicht nur eine romantische Vorstellung, sondern etwas viel Tieferes. Ihre menschliche Liebe zu dir hat sich … verändert, hat sich in diese Gier, dieses Bedürfnis verwandelt. Sie ist jetzt an einem sehr dunklen Ort, und sie will, dass auch du dorthin kommst. Sie will es mit aller Macht. Und das alles nur, weil dich deine Mutter so sehr geliebt hat.«
Zack nickte.
»Okay, jetzt weißt du Bescheid. Wir müssen dich von ihr fernhalten. Sie sieht jetzt anders aus als vorher, nicht wahr? Das liegt daran, dass sie anders ist . Damit klarzukommen ist nicht einfach, und ich kann nicht mehr tun, als dich vor ihr zu beschützen. Vor dem, was aus ihr geworden ist. Das ist
jetzt meine Aufgabe als Vater. Denk mal an deine Mutter, wie sie früher war. Was hätte sie wohl in Bezug auf deine Sicherheit, auf deine Gesundheit gesagt? Was meinst du, was hätte sie getan?«
Zack nickte wieder, und seine Antwort kam wie aus der Pistole geschossen: »Sie hätte mich versteckt.«
»Genau. Sie hätte dich von hier weggebracht. An einen sicheren Ort, weg von der Gefahr. Sie wäre losgerannt und hätte dich mitgenommen … Stimmt doch, oder?«
»Stimmt.«
»Okay. Und jetzt bin eben ich die überfürsorgliche Mutter.«
Brooklyn
Eric Jackson fotografierte das Graffiti am Schaufenster aus drei verschiedenen Perspektiven. Wenn er im Dienst war, hatte er neben Polizeimarke und Pistole immer auch seine kleine Canon-Digitalkamera dabei.
Säureätzung war bei den Gangs gerade groß in Mode - Ätzmittel aus dem Baumarkt, meistens vermischt mit gewöhnlicher Schuhcreme, aufgetragen auf Glas oder Plexiglas. Man sah den Effekt nicht sofort, es dauerte Stunden, bis sich die Säure ins Glas fraß. Und je länger das Zeug auf der Oberfläche klebte, umso tiefer brannte sich das Graffiti darauf
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