Das Blut - Del Toro, G: Blut - The Fall
Graffiti vorzeichneten. Er war einer von nur fünf Beamten, die einer speziellen Untergruppe innerhalb der Antivandalismuseinheit zugeteilt worden waren. Ihre Aufgabe war es, eine umfangreiche Datenbank über Tagger und ihre Graffiti zu führen, um sie miteinander zu vergleichen und auf einzelne Urheber zurückführen zu können. Damit konnten sie die Sprayer direkt an den Eiern packen!
Die meisten Leute dachten bei »Graffiti« an bunte, Keith-Haring-artige großformatige Gemälde an Wänden und U-Bahn-Waggons. Doch in Wirklichkeit versuchten die Tagger, durch das Besprühen von Schaufenstern und Ähnlichem einfach möglichst viel Aufsehen zu erregen. Was zählte, waren ungewöhnliche, schwer zu erreichende Orte, nicht die künstlerische Qualität. Oder es waren einfach Gangs, die ihr Revier markierten und die Graffiti als Warnung einsetzten.
Seine vier anderen Kollegen waren allerdings schon länger nicht mehr zum Dienst erschienen. Jackson hatte über Funk gehört, dass die Cops die Stadt verließen - so wie in New Orleans nach dem Hurrikan Katrina -, aber er weigerte sich, das zu glauben. Etwas Merkwürdiges ging hier vor, und es war nicht nur diese seltsame Epidemie, die die Stadt erfasst hatte. Wenn man krank war, holte man sich eben ein Attest; dann übernahm jemand anderer die Schicht, und es gab keinen Engpass. Dass die Leute einfach abhauten, ja regelrecht desertierten, widerte Jackson so an wie das Graffiti eines unfähigen Sprayers auf einer frisch gestrichenen Wand. Eher glaubte er diesen irren Vampirscheiß, den die Leute erzählten, als die Möglichkeit einzuräumen, dass seine Kollegen den Schwanz einzogen und nach Jersey abhauten.
Seufzend wandte er sich von seinem neuesten Fund ab, stieg in sein Auto und fuhr die verlassene Straße nach Coney
Island hinunter - eine Route, die er mindestens dreimal die Woche nahm. Als Kind war Coney Island sein erklärter Lieblingsort gewesen, aber seine Eltern hatten ihn nicht so oft dorthin mitgenommen, wie er es sich gewünscht hätte. Bei weitem nicht. Also hatte er sich damals geschworen, als Erwachsener jeden Tag nach Coney Island zu fahren - ein Versprechen, das er zwar nicht immer einlösen konnte, aber doch mehrmals die Woche.
Die Gehwege waren wie leergefegt. Es war ein warmer Herbsttag, doch offenbar hatten die Leute bei der Grippeepidemie keine Lust, sich zu amüsieren. Auch Nathan’s Famous war leer, aber nicht abgeschlossen. Zu Highschool-Zeiten hatte er in genau diesem Hotdogladen gejobbt und kannte sich dort gut aus. Er umrundete die Theke, ging in die Küche, verscheuchte zwei Ratten und wischte die Herdplatte ab. Die Sachen in der Tiefkühltruhe schienen noch in Ordnung zu sein, also holte er zwei Rindfleischwürste heraus. Er fand Brötchen und eine mit Zellophanfolie bedeckte Dose mit roten Zwiebeln. Jackson mochte Zwiebeln. Und ganz besonders mochte er den Gesichtsausdruck der Sprayer, wenn er ihnen nach dem Mittagessen ins Gesicht atmete.
Die Hotdogs waren im Nu fertig, und er setzte sich zum Essen nach draußen. Die Fahrgeschäfte am Kai waren nicht in Betrieb. Auch das Riesenrad nicht. Dutzende von Möwen saßen dort oben auf den Metallstreben. Gerade flog ein weiterer Vogel hinzu, drehte jedoch im letzten Moment wieder ab. Jackson sah genauer hin - und bemerkte, dass es gar keine Möwen waren, die da oben saßen.
Es waren Ratten.
Unzählige Ratten, die das Riesenrad in Beschlag genommen hatten und versuchten, Möwen zu fangen.
Was zum Teufel ging hier vor?
Jackson ging langsam den Kai hinunter und kam an Shoot the Freak vorbei, eine der Hauptattraktionen von Coney Island. Von einer Umzäunung aus konnte er nach unten in
den Schießstand blicken, sah die alten Fässer, die Köpfe von Schaufensterpuppen und die Bowlingkegel, die als Übungsziele dienten. Vor ihm auf einem Tisch lagen sechs angekettete Paintballpistolen. Auf einem Schild waren die Preise aufgelistet. Daneben stand: GARANTIERT LEBENDES MENSCHLICHES ZIEL!
Um dem Ganzen mehr Flair zu verleihen, waren die Ziegelsteinwände zu beiden Seiten mit Graffiti überzogen, und zwischen den auf authentisch getrimmten Tags und blasenförmigen Mustern bemerkte Jackson ein weiteres von Phades Werken: Wieder dieser sechszackige Stern, die der Kerl über die ganze Stadt verteilte - diesmal in Schwarz und Orange.
Und dann sah er den »Freak«, das lebende menschliche Ziel. Er trug eine schwere Körperpanzerung, wie sie die Cops bei Straßenunruhen einsetzten, und sein Gesicht war von
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