Das Blut - Del Toro, G: Blut - The Fall
Bahnschwellen aufgetürmt hatte, war der Gerümpelhaufen fast mannshoch.
»Hey, Kumpel«, rief Vasiliy. »Was treibst du denn da?«
Cray-Z drehte sich um. Er stand neben dem Haufen wie ein Künstler, der kurz davor war, dem Wahnsinn anheim zu fallen, und winkte Vasiliy mit einem Stahlrohr zu. »Die Zeit ist gekommen! Wir müssen handeln!«
»Der verdammte Zug wird entgleisen!«, rief Vasiliy.
Cray-Z verzog den Mund zu einem Grinsen. »Das ist der Plan.«
In diesem Moment kamen weitere Tunnelbewohner hinzu und bestaunten das Werk des Alten. »Was machst du denn da?«, fragte ein Mann namens Caver Carl, ein früherer U-Bahn-Angestellter, der auch nach der Pensionierung nicht auf seine geliebten Tunnel hatte verzichten wollen - so wie es einen Seemann immer wieder aufs Meer treibt. Carl trug eine Stirnlampe; der Lichtstrahl bewegte sich hin und her, als er den Kopf schüttelte.
Cray-Z, den das Licht zu stören schien, stieß einen kriegerischen Schrei aus. Dann rief er: »Herr, mein Leben liegt in deinen Händen! Aber noch ist meine Zeit nicht gekommen.«
Carl und die anderen begannen, das Gerümpel wieder von den Gleisen zu räumen. »Wenn der Zug entgleist«, sagte einer von ihnen zu Cray-Z, »werden sie uns alle von hier vertreiben. Und zwar für immer.«
Die Miene des Alten verfinsterte sich. Er hob das Stahlrohr.
In der Absicht, die Situation zu entspannen, breitete Vasiliy die Arme aus und sagte: »Jetzt hört mal zu, Leute. Ich…«
Aber Cray-Z wollte nicht zuhören. Er schlug mit dem Rohr nach Vasiliy, der instinktiv den Arm hochriss. Krachend traf der Stahl seinen Unterarm.
Vasiliy schrie auf und schlug seinerseits Cray-Z mit der Nagelpistole wie mit einem Knüppel gegen die Schläfe. Der Alte taumelte, griff jedoch weiter an. Vasiliy brach ihm einige Rippen und trat ihm dann mit voller Wucht gegen das linke Schienbein. Erst jetzt ging der Alte zu Boden.
»Hört auf!«, schrie Caver Carl. »Der Zug kommt.«
Vasiliy ließ von Cray-Z ab.
Dann hörte auch er das Rumpeln des sich nähernden Zuges. Er spähte die Gleise hinunter. Sah einen Lichtschein um die Kurve biegen.
Ein Zug der Linie 5 auf seinem Weg zum Wendepunkt.
Die Obdachlosen zerrten verzweifelt an den Gegenständen auf den Gleisen, während Cray-Z, auf das Stahlrohr gestützt, wie wild auf einem Bein herumhüpfte. »Ihr verdammten Sünder!«, heulte er. »Ihr seid doch alle blind! Da kommen sie! Jetzt müsst ihr kämpfen, ihr habt keine Wahl! Kämpft um euer Leben!«
Der Zug kam immer näher. Die Katastrophe war nicht mehr aufzuhalten. Als die Waggons an ihm vorbeidonnerten, erhaschte Vasiliy einen Blick auf die Fahrerin. Sie starrte ausdruckslos vor sich hin. Das Hindernis konnte ihr nicht entgangen sein - trotzdem machte sie keine Anstalten zu bremsen. Sie tat gar nichts.
Denn ihr abwesender Blick war der eines gerade verwandelten Vampirs …
Und dann prallte der Zug mit voller Geschwindigkeit gegen die Barrikade. Der erste Wagen rammte das Gerümpel, zerfetzte es regelrecht und schleifte die größten Teile etwa zehn Meter mit sich, bevor er entgleiste. Die Waggons neigten sich nach rechts, schrammten an der Bahnsteigkante entlang und zogen dabei einen hellen Funkenregen nach sich. Der Antriebswagen wurde in die entgegengesetzte
Richtung geschleudert, so dass sich der komplette Zug querstellte.
Das Kreischen des Metalls klang beinahe wie ein menschlicher Schrei. Ein Schrei aus Wut und Verzweiflung. Das Echo röhrte durch den Tunnel wie durch eine gewaltige Kehle und hallte selbst dann noch nach, als die Waggons bereits zum Stillstand gekommen waren.
An den Seiten des Zuges hingen Trauben von Vampiren. Einige von ihnen waren zwischen Zug und Bahnsteig zermalmt worden, die übrigen sprangen von den Wagen wie Blutegel von der Haut ihrer Opfer. Und dann kamen sie langsam durch die Staubwolken und den Rauch auf die Obdachlosen zu, die sie ungläubig anstarrten. Bis auf ein leichtes Hinken schienen die meisten dieser grotesken Passagiere die Fahrt unbeschadet überstanden zu haben.
Blitzschnell griff Vasiliy in den Seesack und zog Setrakians improvisierte Zeitbombe hervor, als er plötzlich einen brennenden Schmerz in der rechten Wade spürte. Er sah nach unten: Ein dünnes, nadelspitzes Holzstück hatte sich glatt durch sein Bein gebohrt. Wenn er es jetzt herauszog, würde er bluten wie ein Schwein - und der Geruch nach Blut war so ziemlich das Letzte, was er gerade brauchen konnte. Also ließ er den Splitter ungeachtet der
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