Das Blut - Del Toro, G: Blut - The Fall
öffnete die Fahrertür, zog den bewusstlosen Mann heraus und warf ihn wie einen nassen Sack auf die Straße. Dann nahm er auf dem Fahrersitz Platz und knallte die Tür zu.
Panisch öffnete Barnes die Tür auf seiner Seite, doch Eph packte ihn am Mantelkragen und zog ihn wieder in den Wagen. »Schließen Sie die Tür!« Er richtete die Waffe auf
Barnes’ Oberschenkel statt auf dessen Kopf; nur ein Arzt oder ein Kriegsveteran weiß, dass man einen Kopfschuss unter Umständen überleben kann, eine durchtrennte Hauptschlagader jedoch den sicheren Tod bedeutet.
Barnes gehorchte - und schon hatte Eph den Gang eingelegt und fuhr auf die 27th Street.
Der CDC-Direktor blickte ängstlich auf die Waffe, die weiterhin auf sein Bein gerichtet war. »Bitte, Ephraim. Lassen Sie uns darüber reden …«
»Okay. Sie fangen an.«
»Darf ich mich wenigstens anschnallen?«
Eph bog mit quietschenden Reifen um eine Kurve. »Nein.«
»Bitte, Ephraim, seien Sie um Gottes willen vorsichtig …«
Barnes bemerkte, dass Eph etwas in den Getränkehalter in der Mittelkonsole gelegt hatte: den Dienstausweis des FBI-Agenten.
»Reden Sie schon, Everett. Warum zum Teufel sind Sie noch in der Stadt? Wollen Sie unbedingt einen Platz in der ersten Reihe?«
»Ich weiß nicht, wovon Sie reden. Ich … ich bin bei den Kranken.«
»Den Kranken?«
»Den Infizierten.«
»Everett - wenn Sie weiter solchen Mist reden, drücke ich ab.«
»Sie haben getrunken.«
»Und Sie lügen. Ich will wissen, wieso die gottverdammte Quarantäne noch nicht ausgerufen wurde!« Eph fuhr eine scharfe Rechtskurve, um einem liegen gebliebenen Lieferwagen auszuweichen. »Es gab nicht einmal den Versuch, die Seuche einzudämmen. Wieso kann sich diese Epidemie einfach so ungehemmt ausbreiten?«
Barnes lehnte sich gegen die Tür und wimmerte wie ein Kind. »Das liegt nicht mehr in meiner Verantwortung.«
»Lassen Sie mich raten: Sie befolgen nur Befehle.«
»Ich … ich habe mich damit abgefunden, Ephraim. Als es an der Zeit war, eine Entscheidung zu treffen, habe ich sie getroffen. Die Welt steht am Scheideweg.«
»Was Sie nicht sagen.«
» Sie haben jetzt die Oberhand. Sie haben alles durchdrungen, jede wichtige Behörde wird direkt oder indirekt von ihnen beeinflusst. Die Verschwörung reicht bis in die höchsten Kreise.«
Eph nickte grimmig. »Eldritch Palmer.«
»Spielt das denn noch eine Rolle?«
»Für mich schon.«
»Sagen Sie mir, Ephraim: Wenn ein Patient todkrank ist - wenn es keine Hoffnung mehr gibt -, was hat ein guter Arzt dann zu tun?«
»Er kämpft weiter.«
»Um das Leiden noch zu verlängern? Wirklich? Wenn das Ende nahe und nicht aufzuhalten ist, wenn jede Rettung zu spät kommt - wollen Sie das Unvermeidliche hinauszögern? Oder lassen Sie der Natur ihren Lauf?«
»Der Natur? Mein Gott, Everett!«
»Ich weiß nicht, wie ich es sonst nennen soll.«
»Ich nenne es Euthanasie. Die Euthanasie der gesamten Menschheit. Und Sie … Sie stehen daneben und sehen tatenlos zu.«
»Ich bin nicht schuld an dieser Krise. Die Krankheit hat Schuld, nicht der Arzt. Bis zu einem gewissen Grad kann ich Ihre Empörung nachvollziehen, Ephraim, aber ich bin Realist genug, um zu erkennen, dass manche Dinge unvermeidlich sind. Mir blieb keine andere Wahl.«
»Es gibt immer eine andere Wahl. Immer. Für mich jedenfalls. Aber Sie … Sie sind ein Feigling, ein Verräter und - was noch schlimmer ist - ein gottverdammter Narr.«
»Sie können diesen Kampf nicht gewinnen, Ephraim. Sie haben ihn längst verloren.«
»Das ist noch nicht entschieden«, erwiderte Eph, und es klang wie eine Beschwörung. »Aber Sie und ich - wir werden es bald herausfinden.«
Sotheby’s
Gegründet 1744, versteigerte Sotheby’s, das traditionsreichste aller Auktionshäuser, Kunstgegenstände, Juwelen und Immobilien in über vierzig Ländern. Die Hauptfilialen befanden sich in London, Hongkong, Paris, Moskau und natürlich New York, wo die Niederlassung die gesamte York Avenue zwischen der 71st und der 72nd Street einnahm, nur einen Straßenzug vom Franklin D. Roosevelt Drive und dem East River entfernt. Sotheby’s residierte hier in einem zehnstöckigen Prachtbau mit Glasfassade. Einige der Galerien und Auktionsräume waren auch der Öffentlichkeit zugänglich. Heute allerdings nicht.
Sicherheitsleute mit Atemschutzmasken standen vor und hinter den Drehtüren, die in das Gebäude führten; die Upper East Side versuchte, wenigstens den Anschein der Zivilisation zu wahren,
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