Das Blut - Del Toro, G: Blut - The Fall
was ich jetzt tun werde, tue ich einzig und allein um deiner Zukunft willen. Ich tue es, damit du niemals vor die Entscheidung gestellt wirst, vor der ich jetzt stehe: der Entscheidung zwischen dem eigenen Kind und der eigenen Pflicht.
In dem Augenblick, in dem ich dich zum ersten Mal in den Armen hielt, wusste ich, dass du die große Liebe meines Lebens bist. Jener Mensch, für den ich alles opfern würde, ohne eine Gegenleistung zu verlangen. Ich hoffe, du verstehst, dass ich niemandem sagen kann, was ich jetzt vorhabe. Die Geschichte des letzten Jahrhunderts wurde größtenteils mit Waffen geschrieben, von Männern, die ihre Überzeugung - und ihre Dämonen - zu unbeschreiblichen Taten trieb. Überzeugung und Dämonen … Der Wahnsinn ist real, mein Sohn - er ist keine Fehlfunktion des Gehirns mehr, sondern Wirklichkeit.
Und dagegen muss ich etwas unternehmen.
Sie werden mich einen Kriminellen nennen, mich für verrückt erklären. Aber ich hoffe, dass die Zeit meinen Namen reinwaschen wird und dass du mich eines Tages wieder in dein Herz schließen wirst.
Worte können nicht beschreiben, was ich für dich empfinde und wie erleichtert ich bin, dass du dich mit Nora in Sicherheit gebracht hast. Ich hoffe, du denkst jetzt nicht, dass dich dein Vater verlassen und sein Versprechen gebrochen hat. Denk an ihn lieber als einen Mann, dessen einzige Sorge deinem Überleben inmitten dieses tödlichen Angriffs auf die menschliche Spezies galt. Denk an ihn als einen Mann, der eine schwierige Entscheidung zu treffen hatte. Ein Mann wie derjenige, zu dem du einst werden wirst.
Denk auch an deine Mutter - wie sie früher war. Solange du lebst, werden wir beide dich lieben. Du bist unser Geschenk an die Welt.
Dad
Katastrophenschutzbehörde, Brooklyn
Die Zentrale der Katastrophenschutzbehörde residierte in einem hochmodernen Häuserblock mitten in Brooklyn. Das erst vier Jahre alte und fünfzig Millionen Dollar teure Gebäude diente als Anlaufstelle bei allen Notfällen im Großraum New York, beherbergte über hundert Mitarbeiter und enthielt neueste audiovisuelle Informations- und Datenverarbeitungssysteme sowie hochleistungsfähige Notstromgeneratoren. Ihre Aufgabe war es, im Fall einer Katastrophe die Aktivitäten der verschiedenen Unterbehörden zu koordinieren; daher sorgten redundante elektromagnetische Systeme dafür, dass das Gebäude selbst während eines Stromausfalls ständig einsatzbereit war.
In der Theorie funktionierte diese Rund-um-die-Uhr-Einsatzbereitschaft hervorragend. Das Problem war nur, dass die Behörden, mit denen sich die Zentrale koordinieren sollte - städtische, bundesstaatliche, nationale und unabhängige Stellen -, entweder nicht erreichbar, unterbesetzt oder aufgegeben worden waren.
Das Herz des Katastrophenschutzes schlug noch immer kräftig, doch es wusste nicht, wohin es seine Informationen pumpen sollte. Es war, als hätte die Stadt einen Herzinfarkt erlitten.
Eph befürchtete, dass ihm die Zeit davonlief. Es dauerte viel länger, als er erwartet hatte, die Brücke zu überqueren: Die meisten Leute, die willens und in der Lage waren, Manhattan zu verlassen, hatten dies bereits getan oder zumindest versucht, und so machten stehen gebliebene Autos und andere Hindernisse das Durchkommen schwierig. Jemand hatte eine riesige gelbe Plane an ein Tragseil der Brücke gebunden; wie eine Quarantäneflagge am Mast eines todgeweihten Schiffes flatterte sie im Wind.
Everett Barnes saß schweigend auf dem Beifahrersitz und hielt sich am Haltegriff über dem Fenster fest. Ihm war inzwischen klar geworden, dass Eph ihr Ziel nicht verraten würde.
Auf dem Long Island Expressway ging es dann bedeutend schneller voran. Von den Überführungen aus konnte Eph leere Straßen, verlassene Tankstellen und verwaiste Supermarktparkplätze erkennen. Immer wieder rieb er sich nervös die Augen. Er war sich durchaus bewusst, welche Risiken sein Plan barg, ja, möglicherweise hatte sein Vorhaben sogar psychopathische Züge, aber das machte ihm nichts aus - schließlich war die ganze Welt um ihn herum dem Wahnsinn anheim gefallen.
Sie kamen gerade rechtzeitig vor dem Gebäude der Katastrophenschutzbehörde an. Die Ansprache sollte in wenigen Minuten beginnen.
Eph stellte den Wagen neben einem Zugang zur U-Bahn ab und wandte sich Barnes zu. »Holen Sie Ihren Ausweis raus. Wir gehen gemeinsam. Wenn Sie irgendwelche Dummheiten machen, wie etwa den Sicherheitsdienst zu alarmieren, erschieße ich erst
Weitere Kostenlose Bücher