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Das Blut der Azteken

Das Blut der Azteken

Titel: Das Blut der Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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zuckte die Achseln. »Das weiß niemand. Manche Ärzte vermuten, der Körper werde bereits vor der Beisetzung von der Erde angezogen. Wie du aus den Büchern in meiner Bibliothek denen, die du mit meiner Erlaubnis oder heimlich liest - gelernt hast, gibt es im Leben mehr Fragen als Antworten.«
    »Und das Absacken des Blutes, ist das Blutschuld?«
    »Nein. Hilf mir, sie ein wenig umzudrehen.« Er nahm den Dolch vom Gürtel. »Ich muss ihr Blut abnehmen.«
    Er füllte die Kugel mit Blut, steckte das Röhrchen hinein und hielt das Ganze aufrecht, damit es nicht wieder herausfloss. Dann streifte er den Ärmel der Frau zurück und setzte ihr das Instrument auf den nackten Arm und verstopfte das offene Ende dabei mit dem Finger.
    »Hier. Leg deinen Finger dort hin, wo meiner ist.«
    Ich tauschte den Platz mit ihm und hielt das Ende des Röhrchens fest, während er den Ärmel wieder herunterkrempelte, bis Kugel und Röhrchen nicht mehr zu sehen waren.
    »Wenn du den Finger wegnimmst, rinnt plötzlich das Blut aus dem verborgenen Behälter in ihre Handfläche. Jemand, der gerade den Raum betritt, wird denken, dass die Wunde an ihrer Hand blutet.«
    »Und warum sollte die Wunde bluten?«
    »Weil viele Leute glauben, dass eine Leiche blutet, wenn sich der Mörder in der Nähe befindet. Auf diese Weise wird der Täter offenbart. Das ist die Blutschuld: Das Blut des Opfers gibt den Schuldigen preis.«
    »Stimmt das? Blutet es in solchen Fällen wirklich?«
    »Nur wenn man zuvor dafür sorgt, wie wir es eben getan haben. Ich habe den Priester und den Alcalde losgeschickt, damit sie dem Ehemann Angst mit der Blutschuld machen. Jetzt rufen wir sie alle herein. Wenn der Ehemann ins Zimmer kommt, nimmst du den Finger weg und trittst zurück. Ich werde die anderen dann darauf hinweisen, dass die Handfläche blutet.«
    Kurz darauf floh der Ehemann panisch aus dem Zimmer. Als ich ihn zuletzt sah, stammelte er wirres Zeug, während die Männer des Alcalde ihm die Hände auf dem Rücken fesselten. Seiner Hinrichtung wohnte ich nicht bei; ich hatte schon genug dergleichen miterlebt.
    Auf dem Rückweg zur Hacienda erklärte mir Don Julio, wie ich in Gegenwart von Priestern medizinische Fragen zu erörtern hätte.
    »Das ärztliche Wissen eines Priesters stammt aus der Heiligen Schrift.«
    »Steht in der Bibel denn etwas über Heilkunst?«
    »Nein, und genau darauf will ich ja hinaus. Für die meisten Priester ist nicht der Arzt der Heiler, sondern Gott. Und Gott überlegt es sich genau, wie viele Menschen er retten will. Wenn ein Arzt zu erfolgreich ist, gerät er in Verdacht, mit dem Teufel im Bunde zu sein. Als du dem Priester widersprochen hast, warst du wissenschaftlich betrachtet im Recht, hast dich aber dennoch falsch verhalten. Es ist gefährlich für einen Arzt, sein medizinisches Wissen zur Schau zu stellen oder zu viele Kranke gesund zu machen. Wenn der Arzt dazu noch ein converso ist, so wie ich, könnten ihn Vertreter der Inquisition nachts aus dem Bett holen, falls er sich zu bewandert gibt.«
    Ich entschuldigte mich wortreich beim Don.
    »Genauso solltest du mit deinem Wissen über die Heilkräuter der Indios verfahren. Sie sind häufig wirksamer als die europäische Medizin, doch man muss auf der Hut sein, um nicht den Zorn der Priester oder den Neid von Kollegen zu wecken.«
    Don Julio vertraute mir auch etwas an, das mich zutiefst erschreckte: Manchmal verordnete er Medikamente, von denen er wusste, dass sie nicht halfen, um die Patienten und die Priester zufrieden zu stellen.
    »Es gibt ein Elixier namens mithradatium, das aus einigen Dutzend verschiedenen Zutaten besteht und angeblich alles, ja, sogar Vergiftungen heilt. Hauptsächlich enthält es Vipernfleisch, und zwar auf der Grundlage der Theorie, dass eine Schlange gegen ihr eigenes Gift immun ist. In meinen Augen sind derartige Medikamente Betrug.
    Überhaupt wissen unsere Ärzte mehr über Gifte, mit denen man Menschen umbringen kann, als über Medikamente, mit denen man Kranke heilt. Diese Narren verwerfen ein Medikament der Indios, das erwiesenermaßen wirkt, und wenden stattdessen etwas völlig Nutzloses an. Der Vizekönig selbst und die meisten spanischen Würdenträger besitzen Bezoarsteine, die sie in ihre Getränke legen, da sie glauben, damit einer Vergiftung vorbeugen zu können.«
    »Bezoarsteine. Von diesem Gegenmittel habe ich noch nie gehört«, sagte ich.
    »Es handelt sich um Steine, die man in den Eingeweiden toter Tiere findet. Männer, die die

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