Das Blut der Azteken
bewältigten -, doch es bestand stets die Gefahr, dass infolge der Sprengungen die Tunnelwände im gesamten Bergwerk brüchig wurden. Wolken von Staub und Schutt, die uns den Atem raubten, wehten mit der Gewalt eines Sturms durch die Gänge, und es kam häufig genug zu Einstürzen, sodass Männer bei lebendigem Leibe begraben wurden.
Immer wieder wurde ich von Einstürzen eingeschlossen und hatte es nur meinem Glück zu verdanken, dass ich es schaffte, mich zu befreien. Doch viele hatten Pech. Der Mestize, der mir alles über die Bergwerke erklärt hatte, fand noch in der ersten Woche den Tod.
Nachdem wir gesprengt hatten, machten wir uns mit Hacken, Schaufeln und Hämmern über das Gestein her.
Die Arbeit war so unbeschreiblich schwer, dass wir nicht nur Bohnen und Tortillas, sondern auch jeden zweiten Abend Fleisch bekamen. Nach einer Weile ließen Schmerzen und Schwindel nach, und meine Kräfte wuchsen. Jeder Caballero hätte beim Anblick der harten Muskeln an meinen Händen und Armen und an meinem Rücken sofort gewusst, dass ich kein feiner Herr war.
Dunkelheit und Schinderei bestimmten mein Leben. Oft war ich sogar zum Denken zu müde, was mir half, das Grauen zu verdrängen und die Flammen zu vergessen, die Don Julio und seine Familie verschlungen hatten.
Nachdem ich mich an den quälenden Kreislauf aus Arbeiten, Essen, Schlafen und gelegentlichen Auspeitschungen gewöhnt hatte, begann ich, Fluchtpläne zu schmieden. Ich wusste, dass ich dabei mein Leben riskierte, doch das kümmerte mich nicht. Meine größte Angst war, namenlos bei einem Einsturz zu sterben, für immer begraben unter Gesteinsmassen - und ohne die Möglichkeit, Don Julios Tod zu rächen.
Allerdings würde es nicht leicht sein zu entkommen. Denn zu den harten Arbeitsbedingungen kam die nie nachlassende Wachsamkeit der Menschenschinder hinzu, die mich beaufsichtigten. Bald aber hatte ich eine zündende Idee. Als ich in einem verlassenen Tunnel auf die Explosion wartete, bemerkte ich einen Lichtstrahl. Die Ritze, durch die er fiel, war etwa so dick wie mein Fingernagel.
Wie konnte Licht in einen Tunnel dringen, der viele hundert Meter unter der Erde lag?
Gonzalo ertappte mich, wie ich auf das Licht starrte, und lachte mich aus. »Glaubst du, das ist Zauberei?«
»Ich habe keine Ahnung«, gab ich zu.
»Es kommt durch den Berg. Drei oder vier Meter hinter dieser Spalte ist ein Vorsprung, der über einem Fluss liegt. Ich sag dir was: Wenn du durch diese Spalte schlüpfen kannst, lasse ich dich gehen.«
Er brach in schallendes Gelächter aus.
Eines Tages werde ich nicht nur verschwinden, sondern dich vorher noch mit deiner eigenen Peitsche erwürgen, schwor ich mir.
Der Lichtstrahl wollte mir nicht mehr aus dem Kopf. Vielleicht lag es an Don Julio, der mich gelehrt hatte, alles, was ich sah, infrage zu stellen. Und je länger ich über diesen Lichtstrahl nachgrübelte, desto mehr wuchs meine Gewissheit: Jenseits dieser Felswand erwartete mich die Freiheit.
Ich musste es nur durch diese Spalte schaffen.
Natürlich war es unmöglich, sich mit einem Hammer den Weg durch mehrere Meter dicken Fels zu bahnen. Allerdings hatte ich Zugriff zu einem Stoff, mit dem ich diese Spalte binnen weniger Sekunden verbreitern konnte. Und als zu lebenslänglich Verurteilter wusste ich auch, wie man ihn benutzte: Schwarzpulver.
Die Spalte war schließlich schon da. Also brauchte ich sie nur zu erweitern, indem ich genügend Schwarzpulver hineinstopfte. Nachdem ich den Berg ins Jenseits gepustet hatte, würde ich mich durch die Felsbrocken zwängen müssen… vorausgesetzt, der Berg stürzte nicht über meinem Kopf zusammen…
Es würde jedoch nicht leicht sein, das Schwarzpulver zu stehlen. Es wurde in einem fensterlosen Bau aus Lehmziegeln aufbewahrt, dessen Eisentür stets verschlossen war. Das von uns benötigte Schwarzpulver wurde uns in kleinen Mengen und unter scharfer Bewachung zugeteilt.
Aber wenn ich die Sprengladungen anbrachte, war ich allein. Also musste ich nur vor jeder Sprengung eine Prise abzweigen, diese irgendwo am Körper verstecken und meine Beute an einem geheimen Ort horten, bis ich genug beisammen hatte.
Falls man mich ertappte, hatte mein letztes Stündlein geschlagen. Doch wenn ich es nicht versuchte, würde ich im Bergwerk sterben.
2
Im Laufe der folgenden Monate sammelte und versteckte ich das Pulver - immer nur einen Fingerhut voll - in der Nähe des Spaltes in einem aufgegebenen Tunnel. Ich vermischte es mit ein wenig
Weitere Kostenlose Bücher