Das Blut der Azteken
Zauberer, der mich gelehrt hatte, stolz auf mein indianisches Erbe zu sein, hatte ebenfalls sterben müssen. Ich dachte an Don Julio, der mir das Leben gerettet und vor meinen Augen mit seiner Familie einen grausigen Tod in den Flammen gefunden hatte. Mein Freund Mateo hatte mich vor Mördern bewahrt, mich alles über das Theater gelehrt und einen Mann aus mir gemacht. Sicher war er entweder während der Überquerung des großen Ozeans gestorben oder im philippinischen Dschungel dem Fieber erlegen. Außerdem kam mir eine Frau in den Sinn, eine Frau mit strahlenden Augen und einem betörenden Lächeln, die seelenvolle Gedichte schrieb und der ich schon zweimal mein Leben verdankte. Ich liebte sie von ganzem Herzen, doch ich würde sie nie besitzen, geschweige denn heiraten können. Inzwischen war sie wahrscheinlich mit einem Ungeheuer vermählt und würde niemals Frieden finden.
Am liebsten wäre ich auf dem schnellsten Weg nach Mexiko-Stadt geritten, um Ramón de Alva einen Dolch ins Herz zu stoßen und vielleicht noch einen letzten Blick auf meine Angebetene zu erhaschen. Doch es sollte nicht sein. Ich hatte meine Rachepläne nicht aufgegeben, allerdings war die Zeit noch nicht reif dafür. Seit dem Tod des Don war Alva sogar noch reicher und mächtiger geworden. Mittlerweile galt er als einer der einflussreichsten Männer Neuspaniens. Das machte ihn zwar nicht unsterblich, doch ich war fest dazu entschlossen, ihn nicht heimlich ins Jenseits zu befördern. Das wäre zu gnädig für ihn gewesen. Stattdessen wollte ich ihm zuerst sein Vermögen, seine Frauen und seinen Stolz nehmen. Der Tod war nicht Strafe genug für die Schandtaten, die er begangen hatte.
Ich versuchte, nicht an Eléna zu denken. In wohlhabenden Adelshäusern wurden Ehen von den Oberhäuptern der Familien angebahnt, deren Wort Gesetz war. Inzwischen teilte sie gewiss schon Tisch und Bett mit Luis. Und wenn ich mir vorstellte, wie sie in seinen Armen lag, war es, als drehte mir jemand ein Messer im Herzen herum.
Dennoch hatte ich - selbst als Bandit - meinen Stolz. Da ich vermutlich ohnehin nicht sehr alt werden würde, konnte es ja nicht schaden, wenn ich zuvor meinen Namen in ganz Neuspanien bekannt machte.
Unter anderem führte ich in der alten Zunft der Straßenräuber einige Neuerungen ein. Dazu gehörte zum Beispiel der geniale Einfalt mit der Nachtaxt, obwohl ich ansonsten spektakulärere Auftritte bevorzugte. Häufig ließ ich es dabei ordentlich blitzen und krachen, eine Fähigkeit, die ich Don Julio, Mateo und vermutlich auch dem grauenhaften Abstecher ins Bergwerk verdankte, denn inzwischen beherrschte ich die Kunst, Schwarzpulver zur Explosion zu bringen.
Es handelte sich hierbei um noch nie da gewesene Methoden. Ich legte Sprengladungen an Bergpässen, woraufhin der halbe Berg einstürzte und die Eskorte einer Maultierkarawane unter sich begrub. Brücken jagte ich in die Luft, während die Wachtrupps sie gerade überquerten, sodass Kutschen und Packpferde schutzlos am Ufer zurückblieben. Mit der Hand geworfene Bomben aus Schwarzpulver ließen Pferde, Indios und Spanier in alle Richtungen auseinander stieben.
Am liebsten jedoch erinnerte ich mich an meinen Überfall auf die Frau des Alcalde von Veracruz - die Dame, unter deren Rock ich vor so vielen Jahren Zuflucht gefunden hatte. Der Alcalde weilte schon seit einiger Zeit nicht mehr unter den Lebenden, da ihn beim Stierkampf ein Bulle aufgespießt hatte. Seine Witwe - noch immer eine kühle Schönheit -hatte Veracruz den Rücken gekehrt und wohnte inzwischen in Mexiko-Stadt, wohin sie gerade von einem Besuch auf ihrer Hacienda zurückkehrte.
Wir griffen an, als ihre Kutsche Halt machte, damit man das Mittagessen einnehmen konnte. Die Dame befand sich noch in der Kutsche, als einer meiner Männer auf den Bock sprang und die Zügel übernahm. Als ich hinzukam, um der Dame die Juwelen zu rauben, stellte ich fest, dass ich eine alte Freundin vor mir hatte. Während die Kutsche über die unebene Straße holperte, begann die Frau, mich zu beschimpfen.
»Du schmutziges Tier! Verschwinde!«
»Schmutzig?« Ich schnüffelte an meinen Kleidern. »Ich bin nicht schmutzig. Ich bade häufiger als Eure Freunde von der Alameda.«
»Was willst du? Nimm das!« Sie streifte ihren wertlosesten Ring ab und reichte ihn mir. »Dieser Ring bedeutet mir mehr als mein Leben. Mein Gatte, Gott sei seiner Seele gnädig, hat ihn mir vor seinem Tod geschenkt.«
Ich küsste ihr die Hand. »Übrigens sind
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