Das Blut der Azteken
Beute mehr gemacht. Außerdem war unser letztes Opfer nur ein Händler gewesen, der Kakaobohnen nach Acapulco brachte. Meine drei Kumpanen murrten schon, und wenn es uns nicht bald gelang, einen reichen Kaufmann um seinen Geldsack zu erleichtern, würde ich gezwungen sein, meine Ohrensammlung um einige Exemplare zu erweitern. Deshalb beschloss ich, diese Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen zu lassen.
Wir beobachteten den Mann von einer Anhöhe aus; dass es ein Mann war, erkannten wir am Arm des Reisenden, der aus der Sänfte baumelte. Mein erster Eindruck war, dass er ein ziemlicher Narr sein musste. Die Sänfte wurde von zwei Maultieren getragen, die von Indios geführt wurden. Mehr Gefolge hatte er nicht, er war also völlig wehrlos.
Vielleicht hatte sich unser Glück endlich gewendet.
Wie die vier Reiter der Apokalypse stürmten wir begleitet von markerschütternden Schreien auf unser Opfer zu. Die beiden Indios nahmen sofort die Beine in die Hand. Doch kein dicklicher Priester oder Kaufmann kletterte aus der Sänfte, sondern ein Caballero, der sich uns mit blitzendem Schwert in den Weg stellte. Mein bester Mann, der die Sänfte vor mir erreicht hatte, verlor sein Pferd und sein Leben. Als ich angriff, sprang der Caballero auf das Pferd meines toten Freundes und wirbelte zu mir herum. Beim Anblick seines Gesichts erschrak ich derart, dass es auch mich fast das Leben gekostet hätte. Gerade noch rechtzeitig gelang es mir, mein Pferd zu wenden, um Mateos Schwert auszuweichen.
»Mateo! Ich bin es, Bastardo! Dein Bastardo!«
»Santa Maria«, flüsterte er. Dann lachte er brüllend auf. »Cristo! Habe ich dir nicht beigebracht, was ein guter Dieb ist?«
Sein Haar und sein Bart wiesen graue Strähnen auf, und er war fast so mager wie ich bei meiner Flucht aus dem Bergwerk.
Als er mir abends am Lagerfeuer seine Geschichte erzählte, erfuhr ich den Grund.
»Die Überfahrt war die blanke Hölle. Von Acapulco bis nach Manila ist es dreimal so weit wie von Veracruz nach Sevilla, und die Reise dauert einige Monate. Viele an Bord sind gestorben. Und der Rückweg ist sogar noch weiter und nimmt über vier Monate in Anspruch, sodass noch mehr Menschen ums Leben kamen. Als man uns sagte, dass der Vizekönig den Abschaum Neuspaniens zum Sterben nach Manila schickt, war das eine Lüge. Die Leute sollten schon auf der Überfahrt umkommen.«
»Und wie ist es in Manila?«, fragte ich.
»Eine hübsche Stadt, aber nicht weiter weltbewegend. Man kann dort nichts tun, als im Schatten zu liegen und älter zu werden, während einem ein Eingeborenenmädchen mit einem Palmwedel Kühlung zufächelt. Für einen Mann wie mich, der das Theater und romantische Abenteuer liebt, ist Manila eine Wüste.«
Wir hatten hoch in den Bergen unser Lager aufgeschlagen, um nicht von Soldaten überrascht zu werden. Mateo und ich saßen fast die ganze Nacht am Feuer in einer Höhle und sprachen darüber, wie es uns in den letzten Jahren ergangen war.
Von der monatelangen Haft in den Kerkern der Inquisition geschwächt, hatte Mateo die Überquerung des großen Ozeans nur mit knapper Not überstanden. Auf den Philippinen schickte man ihn als Aufseher auf ein Landgut, doch sobald er wieder zu Kräften gekommen war, nahm ihn der Vizekönig von Manila als Schwertkämpfer in seine Dienste.
»Meine Tage als Sträfling waren vorbei. Ich kämpfte gegen malaische Piraten, gelbe Teufel, die noch blutrünstiger sind als die Freibeuter, die das spanische Mutterland in Atem halten. Ich habe hundert von ihnen getötet und eine chinesische Prinzessin gerettet. Ihr Vater hat sie mir zur Frau gegeben und mir mein eigenes Königreich geschenkt. Allerdings hatte die Prinzessin einen eifersüchtigen Verlobten, der eine große Armee befehligte. Bei meiner Flucht konnte ich nur die Kronjuwelen als Notreserve mitnehmen. Ich bin nach China gefahren und habe auf der großen Mauer gestanden, die so lang ist, dass sie um ganz Spanien herumreichen würde. Dann habe ich eine Insel besucht, deren Bewohner sich Japaner nennen. Ihre Krieger heißen Samurai und sind die härtesten Kämpfer der Welt. Als ich nach Neuspanien zurückkehrte, besaß ich so viel Geld, dass ich ganz Mexiko-Stadt kaufen und zu meiner Hacienda hätte machen können.«
Mein Kamerad hatte sich kein bisschen verändert, war immer noch ein Lügner und ein Prahlhans. Doch sein letztes Abenteuer entsprach zumindest annähernd der Wahrheit.
»Ich kam also nach Acapulco, die Taschen voller Juwelen von
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