Das Blut der Azteken
ich kurz die Besinnung verlor, und fesselte mir wieder die Hände. Bevor er ging, gab er mir noch einen Tritt.
»Du kriegst nur etwas zu essen, weil wir dich füttern müssen, bis wir das Geld für dich bekommen. Aber sprich nie wieder so mit mir. Den Bergwerksbesitzer wird es nicht stören, wenn wir dich ihm ohne Zunge verkaufen.«
Die Männer am Lagerfeuer lachten.
Ich lag reglos da, bis ich wieder klar sehen konnte. Der Mann hatte Fäuste wie Kanonenkugeln.
Doch als ich mich zur Seite wälzte, spürte ich, dass zwischen meinem Brustkorb und meinem rechten Arm ein Messer klemmte. Das Seil, das Yanga wieder um meine linke Hand geknotet hatte, hatte genug Spiel, sodass ich nach der Waffe greifen konnte.
Die Banditen zechten, sangen und stritten bis tief in die Nacht hinein. Irgendwann schliefen sie betrunken ein. Falls sie einen Wachposten aufgestellt hatten, war dieser offenbar ebenfalls eingenickt und schnarchte. Als alle zu schlafen schienen, befreite ich mich, nahm meinen Umhang und schlich mich zu den Maultieren, die mich inzwischen kannten und deshalb nicht scheuten.
Vier Maultiere standen gesattelt und mit Zaumzeug bereit, für den Fall, dass die Banditen sich eilig aus dem Staub machen mussten. Bei dreien von ihnen durchtrennte ich Zügel und Sattelgurt. Sobald ich im Sattel saß, stieß ich einen Schrei aus, der Tote hätte aufwecken können. Ich rammte dem Maultier die Fersen in die Seiten und hörte hinter mir das Gebrüll der Männer. Hoffentlich würde mein Vorsprung groß genug sein, bis sie ihre Maultiere wieder eingefangen hatten.
5
Damit begann ein Lebensabschnitt, in dem mein Name in Neuspanien wieder zu einiger Berühmtheit gelangen sollte wenn auch nicht wegen meiner Mildtätigkeit oder meiner Leistungen im Dienste der Wissenschaft. Denn da man bereits vor Jahren wegen zweier Morde im ganze n Land über mich gesprochen hatte, beschloss ich, an meinen Ruhm von damals anzuknüpfen, und wurde Anführer einer berüchtigten Räuberbande.
Kurz nachdem ich Yangas Sklavenjägern entkommen war, fing ich mein neues Leben an. Schließlich war ich ein vermögender Mann und besaß ein Maultier und ein Messer aus Stahl. Allerdings konnte ich das Maultier nicht essen, weil ich es zum Reiten brauchte, und ein Messer ist nun einmal kein Schwert. Außerdem hatte ich kein Geld.
Als ich eine Axt am Straßenrand fand, kam mir der zündende Gedanke. Ich würde mich als Holzfäller tarnen, und auf der Straße nach Zacatecas bot sich mir die erste Gelegenheit.
Ich begegnete einem ausgesprochen beleibten Priester, der in einer von zwei Maultieren getragenen Sänfte reiste. Offenbar war er ein wichtiger Mann der Kirche, vielleicht sogar der Prior eines Klosters in der Bergwerkshauptstadt. Jedes Maultier wurde von einem Indio am Zügel geführt. Zehn weitere Indios, mit Messern und Speeren bewaffnet, marschierten neben der Sänfte her.
Ein Stück vor der Prozession des Priesters bemerkte ich eine große Maultierkarawane. Ganz sicher hielt sich der Priester aus Sicherheitsgründen bei Tag und bei Nacht in der Nähe der Maultiertreiber auf. Doch im Augenblick waren seine Sänfte und die Indios hinter den Reitern zurückgeblieben, da es steil bergauf ging und die Indios zu Fuß nicht mithalten konnten.
Ich war allein und musste es mit einem Messer gegen ein Dutzend Indios aufnehmen. Wenn ich sie angriff, würden sie mich aufspießen. Allerdings besaß ich eine Geheimwaffe: meine Axt.
Die Sonne war schon hinter der Felskante untergegangen, und die Straße darunter lag im Dämmerlicht, als ich meinen Plan in die Tat umsetzte. Die Prozession des Priesters hatte den Gipfel des Hügels fast erreicht, als die Indios schlagartig stehen blieben: Sie hatten das Geräusch einer Axt gehört, und da keine Häuser in Sicht waren, kam ihnen das ein wenig merkwürdig vor. Während der Geistliche keinen Verdacht schöpfte, dachten die abergläubischen Indios sofort an die Nachtaxt, denn die verkörperte für sie das Sinnbild des Grauens. Schon als Kinder hatten ihre Eltern ihnen gedroht, die Nachtaxt würde sie holen, wenn sie nicht brav wären, und sie hatten dieses Gräuelmärchen an ihren eigenen Nachwuchs weitergegeben: Die Nachtaxt pirschte durch den nächtlichen Wald, klopfte sich mit der Axt auf die Brust und suchte nach Opfern.
Ich hackte weiter und beobachtete aus meinem Versteck die Indios oben am Hügel. Diese wechselten offensichtlich verängstigte Blicke.
Während die Indios lauschten, war der Priester
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