Das Blut der Azteken
jugendlicher Fehltritt aus der Welt geschafft werden müsse. Bis wir Antwort aus Madrid erhalten, weiß ich nicht, in welcher Weise ich Euch ehren soll.«
Oder ob du mich gleich köpfen lässt, fügte ich im Geiste hinzu.
»Selbstverständlich werdet Ihr bis dahin in der Stadt bleiben.«
Aha, ich durfte die Stadt also nicht verlassen. Es würde zwischen sechs Monaten und einem ganzen Jahr dauern, bis man in Madrid eine Lösung gefunden hatte.
Der Vizekönig umfasste meine unverletzte Hand. »Ihr müsst verstehen, junger Mann, dass Eure Rettung meiner Nichte alles, was Ihr vielleicht in Spanien verbrochen habt, tausendfach wieder gutmacht. Allerdings müssen wir mit Bedacht vorgehen, damit Eure Heldentat die Sünden der Vergangenheit auch wirklich aus der Welt schafft. Und auch wenn das Unglück sonst zu nichts gut gewesen ist, danke ich Gott dafür, dass es mir aufgrund der veränderten Lage gelungen ist, Eléna zu einer Ehe mit einem der edelsten jungen Männer Neuspaniens zu bewegen.«
Als ich aus dem Zimmer des Vizekönigs trat, wurde ich von Luis erwartet.
»Ich werde Don Carlos hinausbegleiten«, meinte er zu dem Sekretär des Vizekönigs.
Unterwegs erkundigte sich Luis, ob der Vizekönig mir, was meine ›Schwierigkeiten‹ anging, Zusagen gemacht habe.
»Er war äußerst großzügig«, erwiderte ich.
»Eléna hat vorgeschlagen, Ihr solltet einige unverheiratete Damen in unserer Stadt kennen lernen. Fast nirgendwo auf der Welt gibt es Frauen und Pferde von so edlem Stammbaum und schöner Gestalt wie in dieser Stadt. Gewiss hat Euer Vater Euch erklärt, dass man mit einer schönen Frau ähnlich umgehen muss wie mit einem edlen Pferd.«
Ich konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken. Wenn Eléna das gehört hätte.
»Ich fürchte, mein Vater hat meine Mutter nie mit einem Pferd verglichen. Doch vielleicht war er - im Gegensatz zu Eurem Vater - in beiderlei Hinsicht kein Fachmann.«
»Mein Vater hat nicht einmal ein Händchen für die Karten und den Wein, mit denen er sein Leben vertändelt.«
Luis' Tonfall war hart und zornig geworden. Die Heftigkeit seiner Reaktion reizte mich, ihn noch ein wenig auf den Arm zu nehmen.
»Es ist wirklich ein sehr großzügiges Angebot, mich den Damen in dieser Stadt vorstellen zu wollen. Sobald meine Wunde verheilt ist, werde ich gern darauf zurückkommen.« Ich blieb stehen und sah ihn an. »Wisst Ihr, Señor, ich habe mich in die entzückende Eléna verliebt und gehofft, sie würde meine Gefühle erwidern. Doch zu meinem Bedauern musste ich erfahren, das sie bereits verlobt ist.«
Luis' Höflichkeit war mit einem Mal wie weggeblasen, und ich glaubte schon, er würde hier, im Palast des Vizekönigs, das Schwert ziehen. Es war ein Heidenspaß.
»Guten Tag, Señor«, sagte ich, nickte kurz und deutete eine Verbeugung an. Als ich mich zum Gehen wandte, hatte ich ein unangenehmes Gefühl zwischen den Schulterblättern, als könne sich dort jeden Augenblick ein Dolch hineinbohren.
6
Was hast du getan?«, schrie ich Mateo an. Wir standen im Garten meines neu gemieteten Domizils. Offenbar hatte mein Freund es darauf abgesehen, unbedingt und so schnell wie möglich am Galgen zu enden.
Mit einem selbstzufriedenen Grinsen griff Mateo nach seinem allgegenwärtigen Weinkelch. Dann blies er eine Rauchwolke in die Luft und bedachte mich mit einem mitleidigen Lächeln. »Möchtest du die Angelegenheit in aller Ruhe erörtern, oder wäre es dir lieber, wenn die Nachbarn und die Dienstboten auch daran teilhaben?«
Ich setzte mich. »Dann erzähl mir, welcher Teufel dich geritten hat, Don Silvestre zu besuchen. Beginne ganz am Anfang, damit ich weiß, ob ich die Stadt sofort verlassen oder dich zuerst erwürgen soll.«
Er schüttelte den Kopf und setzte eine gespielt unschuldige Miene auf.
»Bastardo, mein Freund…«
»Ehemaliger Freund.«
»Ich habe Don Silvestre, einen guten Freund deiner Familie, zu Hause aufgesucht. Er ist ein prächtiger alter Herr. Sein Haar ist zwar weiß, seine Knie sind schwach und seine Beine von einem Leben im Sattel gebeugt, doch er hat noch Feuer im Leib. Wie du bereits sagtest, ist er fast blind. Ich gab vor, mir sein Augenglas ansehen zu wollen. Ohne das Monokel konnte er meine Hand schon wenige Zentimeter vor seiner Nase nicht mehr erkennen.«
»Hoffentlich hast du das Monokel zerbrochen.«
»Natürlich nicht. So etwas kann ein Caballero wie ich einem alten Ritter nicht antun.«
»Außer es würde dir am Kartentisch nützen oder dir den
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