Das Blut der Azteken
und zu klug für mich, doch ihre Augen könnten Eros selbst verführen.«
»Erklär mir, was passiert ist. Lass nichts aus. Wenn ich dich ermorde, möchte ich keine Schuldgefühle haben.«
»Das reizende Geschöpf kam also herein. Sie trug mir ihr Anliegen vor und schilderte in sämtlichen Einzelheiten, wie du ein Dutzend Piraten abgewehrt hättest…«
»Ein Dutzend?«
»Oder eine ähnlich hohe Zahl. Während ich ihr lauschte, wurde mir klar, dass sie dich liebt.«
»Sag das nicht. Es tut zu weh.«
»Wir müssen den Tatsachen ins Auge sehen. Wir sind zwar hier, um Rache zu nehmen, doch Hass ist nur eine Seite der Medaille. Die andere ist die Liebe. Und als ich die Liebe in ihrer Stimme vernahm, wurde mir klar, dass ich etwas unternehmen muss, damit sie nicht unerfüllt bleibt. Wusstest du, dass meine Stücke immer ein glückliches Ende haben?«
»Und was hat sie gesagt, als sie erfuhr, dass ich für meinen Bruder die Schuld auf mich genommen habe?«
»Sie hat geweint, Bastarde, sie weinte aus Freude und Erleichterung. Dann meinte sie, sie habe schon immer gewusst, dass du ein guter und ehrenhafter Mann seist, und zwar von dem Moment an, als sie dir zum ersten Mal in die Augen geblickt habe.«
Ich setzte mich und schlug die Hände vors Gesicht. Eléna, dieser Engel, war so blind aus Dankbarkeit für ihre Rettung, dass sie ein Halbblut, einen lépero, für einen ehrenhaften Mann hielt. Wenn sie die Wahrheit gekannt hätte, hätte sie erschrocken die Flucht ergriffen.
»Und Don Silvestre? Er hat nicht widersprochen?«
»Er hat die Geschichte sogar noch ausgeschmückt. Offenbar hat mein Märchen die Phantasie des alten Ritters angeregt. Außerdem stellte sich heraus, dass der ältere Bruder ebenfalls ein Taugenichts ist. Doch seine Schandtaten wurden immer vertuscht, um die Familienehre zu wahren. Selbstverständlich vertrat ich die Ansicht, der Vizekönig müsse sofort davon erfahren. Eléna lief auf der Stelle los, um es ihm zu berichten.«
Ich stöhnte auf. »Und Luis. Sie wird es Luis erzählen. Und ihrer Zofe, und die sagt es dann brühwarm der Zofe der Nachbarin…«
Mateo zuckte die Achseln. »In ein paar Wochen sind wir nicht mehr hier.«
»Aber Eléna muss mit diesem Skandal leben. Heute habe ich Luis absichtlich beleidigt, indem ich angedeutet habe, ich sei in Eléna verliebt. Ich habe ihn zwar ziemlich verärgert, stelle aber als in Ungnade gefallener Don Carlos keine ernsthafte
Bedrohung für ihn dar. Jetzt bin ich in doppelter Hinsicht ein Held, weil ich mich für meinen Bruder geopfert und für Eléna mein Leben aufs Spiel gesetzt habe. Wenn Luis das erfährt, wird er mich als Nebenbuhler betrachten.«
Mateo schüttelte den Kopf. »Der Vizekönig würde dir nie erlauben, Eléna zu heiraten, selbst wenn du ganz allein eine Armee von Piraten in die Flucht geschlagen hättest. Schließlich bist du immer noch der dritte Sohn einer unbedeutenden Familie. Luis hingegen wird nach dem Tod seines Vaters Marqués sein, ist also von genauso hohem Adel wie der Vizekönig. Deshalb zwingt er sie ja, ihn zu heiraten. Wenn Luis dich tötet, dann aus Stolz, nicht weil er dich als Rivalen betrachtet. Falls er natürlich dahinter kommt, dass du dich heimlich mit Eléna triffst, bringt er dich eher heute als morgen um.«
Wieder fühlte ich mich, als hätte mir jemand ein Messer in den Leib gestoßen. »Jetzt sag nicht, du hättest den Leichtsinn begangen, ein Stelldichein mit ihr zu verabreden.«
Er schwieg. Ich wartete, bis er einen weiteren Weinkelch geleert hatte.
»Was hast du getan?«
»Luis ist ein Schwein.«
»Was hast du getan?«
»Das Mädchen möchte mit dir sprechen und dich um Verzeihung bitten, weil es an dir gezweifelt hat. Wenn du die Sache richtig angehst, gewährt sie dir vielleicht ihre Gunst, bevor Luis zum Zug kommt.«
»Bist du wahnsinnig? Glaubst du etwa, ich würde Eléna benutzen, um mich an meinen Feinden zu rächen?«
»Ausgerechnet du fragst mich, ob ich wahnsinnig bin? Schließlich bist du nach Neuspanien zurückgekehrt, um ihren zukünftigen Mann zu töten und möglicherweise ihren Onkel zu vernichten, der sie großgezogen hat wie eine Tochter. Denkst du wirklich, du könntest das tun, ohne ihr zu schaden?«
Er erhob sich vom Brunnenrand. »Bastardo, es wird ein hartes Stück Arbeit werden, ein glückliches Ende für die Tragödie zu schreiben, die du angefangen hast.«
7
Das Treffen zwischen Eléna und mir, das Mateo vereinbart hatte, sollte im Haus von Don Silvestres
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