Das Blut der Azteken
von der Schauspieltruppe Las Nómadas zu eurer Erbauung eines der anspruchsvollsten Stücke aufführen, mit dem die Bühnen von Sevilla, Madrid und Cádiz je beehrt worden sind.«
Die Schauspieler rings um das Fass jubelten, trampelten, klatschten und johlten, als ginge es um ihr Leben. Der Zwerg bat mit einer leichten Handbewegung um Ruhe.
»Der große Schriftsteller Mateo Rosas de Oquendo, legendärer Dichter, verwegener Schwertkämpfer, überragender Schauspieler und bester Dramatiker aller Zeiten, Liebling von Kirche und Krone auf der ganzen Welt, wird euch eines der besten Theaterstücke präsentieren, das je auf den Bühnen von Europa, England und Neuspanien gezeigt wurde.«
Ach, der Mann war ein berühmter Dichter, Schwertkämpfer und Schauspieler! Und außerdem mein Freund und Wohltäter. Ich fragte mich, wie ich diesen verwegenen Kerl zu weiteren Geldspenden bewegen konnte.
Mateo verbeugte sich tief und ließ mit übertriebener Eleganz seinen Umhang herumwirbeln. Die versammelten Schauspieler applaudierten, und der Zwerg setzte seinen Lobgesang fort.
»Amigos, zu eurer Erbauung, kostenlos und ganz allein zu eurem Vergnügen wird der große Autor jetzt für euch die Ballade von El Cid aufsagen.«
Stürmischer Beifall erhob sich, was nicht weiter verwunderlich war, denn schließlich war El Cid der Held der Spanier.
Selbst die armen léperos kannten Teile dieses Gedichts, das von El Cids Leben und seinen Triumphen erzählte. Er war ein kastilischer Ritter, der vor über vierhundert Jahren gelebt hatte und dessen Taten in Spanien und in Neuspanien gerühmt wurden -so als hätte er die maurischen Horden erst an diesem Morgen in die Flucht geschlagen.
Hernán Cortés wurde zwar überall bewundert, weil er mit einem zusammengewürfelten Häufchen von nur knapp fünfhundert Mann Neuspanien erobert und meine Vorfahren abgeschlachtet hatte, aber selbst sein Ruhm verblasste neben dem von El Cid, der nicht als gewöhnlicher Sterblicher galt und verehrt wurde wie ein Gott.
Der Zwerg sprang von dem Fass, und Mateo nahm seinen Platz ein. Nachdem er wieder elegant seinen Umhang geschwenkt hatte, wandte er sich an die Menge.
»Es ist keiner unter euch, in dessen Adern nicht das heiße Blut Spaniens fließt und dessen Herz nicht erzittert wie die Erde unter den Hufen wilder Pferde, wenn er erfährt, wie El Cid, verraten von seinen Feinden, für immer aus seiner Heimat verbannt wurde.«
Die Zuschauer murmelten beifällig, obwohl viele Mischlinge unter ihnen waren. Meine Begeisterung hielt sich in Grenzen, denn ich kannte das Gedicht und dessen Inhalt auswendig. El Cid, eigentlich Rodrigo Díaz de Vivar, war aufgrund von Eifersüchteleien vom Hof verstoßen worden. Ohne Auftrag des Königs hatte er daraufhin eine maurische Armee besiegt und war in das maurisch besetzte Toledo einmarschiert. Weder seiner hoch angesehenen Familie noch der Nichte des Königs, seiner Frau, war es gelungen, ihn zu schützen.
»Das Gedicht von El Cid beginnt mit dem Exil des Siegers, der auf Befehl des Königs sein zerstörtes Schloss verlassen muss. Sechzig Männer folgen ihm.«
Mateo deklamierte das Gedicht und schilderte den Verrat und das Exil in dramatischen Hebungen und Senkungen.
Als er den Trümmerhaufen sieht, voll Tränen seine Augen sind.
Die Truhen leer, zerstört das Tor, und durch die Mauern heult der Wind.
Kisten und Kasten ausgeplündert, so liegt nun alles leer und kahl.
Und bar des Schmucks gähnt kärglich nun der einst so prächt'ge Rittersaal.
Verwaist ist auch die Falknerei, kein Vogel fliegt ihm auf die Hand.
Als edler Bettler muss El Cid scheiden von seinem Vaterland.
Mateo hielt inne, während der Zwerg und die übrigen Schauspieler ausschwärmten und den Zuschauern ihre Hüte entgegenstreckten, um Spenden einzusammeln. Er räusperte sich lautstark. »Meine Kehle ist ganz trocken; ich muss sie anfeuchten, wenn ich fortfahren soll.«
Nachdem die Hüte ausreichend gefüllt waren und man Mateo einen Stärkungstrunk besorgt hatte, setzte er seine Darbietung fort. Er beschrieb den Flug des Raben, ein Unglückszeichen, das bedeutete, dass El Cid und seine Gefolgsleute nun Vertriebene waren. Der Verrat und die Lügen anderer hatten das Leben des Ritters zerstört, doch eines Tages würde er sich rächen.
Dann zog Mateo sein Schwert und fuchtelte dramatisch damit herum, während er weitersprach:
Gefolgt von seinen sechzig Mann, so ritt El Cid davon.
Es blickten ihm die Menschen nach, von Haus, Turm und
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