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Das Blut der Azteken

Das Blut der Azteken

Titel: Das Blut der Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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meine Neugier.
    Das Geheimversteck des Bruders war mit einer Falltür gesichert und befand sich unter seinem Bett. Wir bewahrten alles Wertvolle darin auf, damit die Menschen von der Straße es nicht stehlen konnten. Ich öffnete die Falltür und holte Bruder Juans Buch heraus.
    Dann setzte ich mich, ließ die Füße in das Loch baumeln und begann zu lesen. Zu meiner Überraschung handelte das Buch von den Abenteuern eines jungen Mannes, der sein Zuhause verliert und sich auf der Straße durchschlagen muss. Wie ich bereits erwähnt habe, hatte ich, als ich Mateo begegnete, schon viel von Guzmán gelernt, wie ich an späterer Stelle noch erläutern werde.

6
    Ich war nicht weiter erstaunt, als Bruder Antonio am späten Nachmittag immer noch nicht zurückgekehrt war. Der Bruder liebte Feste, und das heute sollte ein großes Ereignis werden. Das Eintreffen der Schatzflotte und die Ankunft des kirchlichen Würdenträgers gaben Anlass zu Jubel und ausgelassenen Feierlichkeiten in der ganzen Stadt. Außerdem drängten sich in der Kirche an der Plaza die Gläubigen, denn der Erzbischof selbst hatte die Messe abgehalten. Bald war der Platz voller Menschen, die den Erzbischof willkommen heißen wollten. In Veracruz fanden zwar häufig religiöse Feste statt, doch dieses hier war, wie alle übereinstimmten, einzigartig.
    Ich wusste, dass es klüger gewesen wäre, in das Versteck hinunterzuklettern und die Falltür zu schließen. Aber die böse alte Frau wollte mir einfach nicht aus dem Kopf, und ich musste unbedingt Bruder Antonio finden, um Antworten auf meine drängenden Fragen zu erhalten.
    Also setzte ich einen Strohhut auf und schlang mir eine Indiodecke um die rechte Schulter. Da es auf der Plaza von Männern mit Hemden und Hosen aus grober Baumwolle und solchen Decken wimmeln würde, konnte ich auf diese Weise in der Menge untertauchen und war besser vor Entdeckung geschützt als durch eine Verkleidung.
    Was für ein Fest! Noch bevor ich den Hauptplatz erreichte, hörte ich aus der Ferne das Johlen der Feiernden, Musik, Gesang und Gelächter. Da die Menschen in Neuspanien ein von Entbehrungen und Ungewissheit geprägtes Leben führten, ergriffen sie jede Gelegenheit, ausgiebig zu feiern, wobei es keine Rolle spielte, ob der Anlass religiöser oder weltlicher Natur war.
    Überall brannten Feuer, über denen Tortillas gebacken und Bohnen und rote Chilis gekocht wurden. Fliegende Händler verkauften Bananen, Papayas, Zuckerrohr und auf Spieße gesteckte, geschälte Mangos. Sänger und Gitarristen gaben auf dem Platz ein Ständchen für die Liebenden und sammelten Kupfermünzen ein.
    Es waren auch viele Priester und Nonnen zu sehen, als ich mich durch die Menge drängte und nach Bruder Antonio Ausschau hielt. Doch ich entdeckte keine Spur von ihm. Ganz sicher war er nicht zum Empfang des Erzbischofs eingeladen, denn weder ihres Amtes enthobene Priester noch Bettelmönche was beides auf Bruder Antonio zutraf - waren dort willkommen.
    Ich sicherte mir einen Aussichtspunkt auf einer niedrigen Brunnenumrandung und beobachtete das wogende Meer von Köpfen. Da sich eine große Anzahl rasierter Tonsuren darunter befand, sahen sie alle gleich aus.
    Ein Trupp von Gauklern, die sangen, tanzten und Kunststücke und Zaubertricks vollführten, trat dicht neben mir auf. Ihre Darbietung steckte voller Anzüglichkeiten, und ich konnte den Blick nicht von ihnen abwenden.
    Verglichen mit ihnen hatte ich als Schlangenmensch nicht viel zu bieten. Einer von ihnen zückte ein armlanges Schwert und kündigte an, er werde es jetzt verschlucken. Darauf legte er den Kopf in den Nacken, hob die Klinge hoch über seinen Kopf und schob sich die Klinge Stück für Stück in den weit geöffneten Mund, bis drei Viertel davon verschwunden waren.
    Während ich mit großen Augen hinstarrte, fiel mir auf einmal ein, dass ich an meinem Standort gefährlich gut zu sehen war. Rasch tauchte ich in der Menge unter, senkte den Kopf und suchte weiter nach Bruder Antonio.
    Doch ich hatte kein Glück. Die einzigen bekannten Gesichter, denen ich zu meiner Überraschung begegnete, waren der Zwerg und seine vier Freunde, die zwei Männer und die beiden Frauen. Der Zwerg stand auf einem Fass, während die anderen sich um ihn scharten. Auch der Gauner, der mir zwei Reales zugesteckt hatte, damit ich seinen Liebesbrief überbrachte, war dabei. Rasch versammelten sich einige Zuschauer.
    »Morgen, Amigos«, verkündete der Zwerg mit erstaunlich kräftiger Stimme, »werden wir

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