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Das Blut der Azteken

Das Blut der Azteken

Titel: Das Blut der Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Stadt so schnell wie möglich verlassen, doch da es bis zum Stadtrand noch ein gutes Stück Weg war, würde man mich sicher entdecken.
    Am Ende der Straße sah ich eine prächtige Kutsche, die vor einem großen Haus wartete. Die Kutscher standen daneben, hatten mir und dem Gefährt den Rücken zugewandt und warfen mit Münzen nach einem Becher.
    Ich eilte über die Straße und suchte unter der Kutsche nach einem Platz, um mich zu verstecken. Als ich plötzlich Stimmen hörte, öffnete ich voller Angst die Tür der Kutsche und schlüpfte hinein. Die beiden gepolsterten Bänke waren mit Fellen bedeckt. Der Platz darunter, wo man sonst das Gepäck aufbewahrte, war leer. Ich schob eine Überdecke beiseite, die bis zum Boden reichte, und kroch unter die Bank. Nachdem ich mich zur Seite gewälzt hatte, zog ich die Decke wieder hinunter, sodass ich vor Blicken geschützt war. Die Stimmen draußen wurden leiser. Da spürte ich, dass ich auf etwas lag. Ich stellte fest, dass es sich um zwei Bücher handelte, und hob die Decke ein wenig an, um die Titel entziffern zu können. Es handelte sich um belanglose religiöse Werke. Eines davon kannte ic h, denn Bruder Antonio hatte es in seiner Zeit als Dorfpriester besessen. Allerdings kam mir das Format der Bücher merkwürdig vor, denn die Ausgabe von Bruder Antonio war viel dicker gewesen. Als ich das Buch aufschlug, entdeckte ich hinter dem Titelblatt und einigen Seiten religiöser Abhandlungen einen zweiten Text: »La Pícara Justina, die Geschichte einer Pícara, die ihre Liebhaber täuscht, genauso wie ein Pícaro seine Herren betrügt.«
    Auf dem Weg zum Markt hatte Juan Bruder Antonio von eben diesem Buch erzählt. Er habe gehört, dass einige Bände davon mit der Schatzflotte eingetroffen und an den Inspektoren der Inquisition vorbeigeschmuggelt worden seien. Es handelte sich um die anstößige Geschichte eines gefallenen Mädchens, das Männer ins Bett lockt, um sie auszunehmen. Dieses Buch hatte Bruder Juan auf dem Markt dringend gesucht.
    Das zweite Buch, ebenfalls als religiöses Werk getarnt, war ein Theaterstück mit dem Titel Burlador de Sevilla, der Betrüger von Sevilla, von Tirso de Molina. Die beiden Brüder hatten das Drama einige Monate zuvor erörtert, wobei Bruder Antonio es als ›Kitsch‹ abgetan hatte. Der Held war ein Schürzenjäger namens Don Juan, der die Frauen mit üblen Tricks verführte und sie dann verließ. Wie die Geschichte des leichten Mädchens Justina stand auch dieses Stück auf der Liste der von der Inquisition verbotenen Bücher.
    Offenbar hatte ein Schmuggler von der Schatzflotte diese beiden unanständigen Bücher als religiöse Abhandlungen verkauft. Wenn die Inquisition den Verkäufer oder den Käufer in die Finger bekommen hätte, wäre derjenige in arge Schwierigkeiten geraten, nicht nur weil es sich bei diesen Büchern um Schmuggelware handelte, sondern weil die falschen Einbände eine schwere Gotteslästerung darstellten.
    Jemand rief den Kutscher und die Diener, die Münzen geworfen hatten, ins Haus, um die Koffer herauszuholen und in die Kutsche zu laden. Ihre Schritte entfernten sich.
    Sollte ich die Kutsche verlassen und losrennen? Aber wohin?, fragte ich mich. Die Entscheidung wurde mir abgenommen, denn die Tür der Kutsche öffnete sich, und jemand stieg ein. Ich machte mich so klein wie möglich und hielt den Atem an.
    Da die Kutsche kaum geschwankt hatte, wusste ich, dass der Passagier kein erwachsener Mann war. Durch einen Spalt in der Pelzdecke erkannte ich am Rocksaum und an den Schuhen, dass es sich um eine Frau handelte. Plötzlich griff eine Hand unter die Decke -zweifellos auf der Suche nach Don Juan. Die Hand berührte mein Gesicht.
    »Nicht schreien!«, flehte ich.
    Es war zwar ein erschrockenes Aufstöhnen zu vernehmen, das jedoch nicht ausreichte, um die Diener zu alarmieren.
    Ich zog die Decke zurück und streckte den Kopf heraus. »Bitte nicht schreien! Ich stecke in Schwierigkeiten!«
    Das Mädchen, das sich damals zwischen mich und den pockennarbigen Jungen mit der Peitsche gestellt hatte, starrte mich entgeistert an. »Was machst du hier?«, fragte sie verdattert.
    Ich betrachtete ihre dunklen Augen, die üppigen braunen Locken und die hohen, zarten Wangenknochen. Obwohl ich in
    Todesgefahr schwebte, war ich gebannt von ihrer Schönheit.
    »Ich bin ein Prinz«, sagte ich schließlich. »In Verkleidung.«
    »Du bist ein lépero. Ich rufe die Diener.«
    Als sie die Hand nach dem Türgriff ausstreckte, zeigte

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