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Das Blut der Azteken

Das Blut der Azteken

Titel: Das Blut der Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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murmelten zustimmend.
    »Auf ihn ist eine Belohnung ausgesetzt«, sagte der Hacienda-Indio. »Zehn Pesos, wenn ihr ihn fangt.«
    Und dabei betrug die Belohnung einhundert Pesos. Diese Männer waren nicht nur Häscher, sondern außerdem Betrüger, die arme Indios um das Geld bringen wollten, das ihnen zustand.

29
    Als wir an diesem Abend in unsere Decken gehüllt dalagen, meinte ich zu dem Zauberer: »Du hast mein Gesicht so gut getarnt, dass du nicht nur den Spanier und seine Helfer, sondern auch den Häuptling und die Ältesten hinters Licht geführt hast, die stundenlang mit mir zusammen waren.«
    »Den Häuptling und die Ältesten konntest du nicht täuschen. Sie wissen, dass du ein Mestize bist.«
    Ich war entsetzt. »Warum haben sie mich nicht an den Spanier verraten?«
    »Weil ihr denselben Feind habt«, erwiderte der Zauberer. »Der Sohn des Häuptlings wurde gezwungen, in einem Schacht zu arbeiten, den die Spanier in den Boden gegraben haben, um unser Silber zu stehlen. Diese Schächte befinden sich im Norden, im Land Mictlán, dem dunklen Ort, an den die Toten gehen. Das Silber wird von Coyolxauhqui, der Mondgöttin, in den Berg gelegt. Es sind ihre Ausscheidungen, die sie Mictlántecuhtli schenkt, dem Gott der Unterwelt. Wer Löcher in den Boden gräbt, um Mictlántecuhtli seinen Reichtum zu nehmen, bringt ihn gegen sich auf, und deshalb sorgt er dafür, dass die Gänge einstürzen. Viele Indios verlieren dort ihr Leben, einige durch die Einstürze, andere durch Hunger und Schläge. Der Sohn des Häuptlings ist vor Gram gestorben, als er in einem dieser Löcher arbeiten musste.
    Erst vor kurzem sind die Spanier wieder in dieses kleine Dorf gekommen und haben Männer mitgenommen. Alle sind sie Söhne, Enkel oder Neffen der Ältesten. Die jungen Männer werden gezwungen, ein Loch in einen Berg zu bohren, um den See rings um Tenochtitlán, die Stadt, die die Spanier Mexiko nennen, auszutrocknen. Mictlántecuhtli ist sehr böse auf die Eindringlinge, und viele Indios haben bei den Arbeiten in diesem Berg den Tod gefunden.«
    »Aber auf mich ist eine Belohnung ausgesetzt«, entgegnete ich. »Zehn Pesos sind viel Geld, gewiss mehr, als der Häuptling oder sonst jemand im Dorf je auf einen Haufen gesehen hat.«
    »Das Gold der Spanier wurde Huitzilopochtli gestohlen, dem Sonnengott, der es Mictlántecuhtli geschenkt hat. Die Dorfbewohner lehnen dieses Gold ab. Die Götter sind rachsüchtig und haben viele Indios getötet. Der Häuptling und die Ältesten wollen, dass ihre Söhne am Leben bleiben, und lassen nicht zu, dass die Spanier sie zwingen, die Götter zu verärgern.«
    Jeder Indio oder Mestize in Veracruz, ganz gleich ob Dienstbote oder Straßenjunge, hätte mir für eine Summe von zehn Pesos ohne zu zögern die Kehle aufgeschlitzt und meine Leiche den Behörden übergeben. Schon die Hoffnung auf eine kleine Belohnung hätte genügt, um mich an die Spanier zu verraten. Ich hatte etwas über die Indios in Neuspanien gelernt: Die unter spanischer Aufsicht auf den Haciendas und in den Städten aufgewachsenen Indios unterschieden sich von denen, die noch nicht von den Eroberern verdorben worden waren. Letztere führten noch das Leben ihrer Vorfahren, und die Ehre galt ihnen mehr als Gold.
    »Woher wusste der Häuptling, dass ich kein Indio bin?«, fragte ich neugierig. »Lag es an meiner Hautfarbe? An meinen Haaren? Meinen Gesichtszügen? War etwas von meiner hellen Haut zu sehen? Was war der Grund?«
    »Du riechst.«
    Ich fuhr hoch. »Ich rieche?« Ich war empört. Erst am Morgen hatte ich mich mit Wasser aus einem Bach gewaschen. Und am Nachmittag hatten der Zauberer und ich die Schwitzhütte des Häuptlings aufgesucht. Die Spanier badeten sich zwar nicht so häufig wie die Indios, doch ich konnte es in Sachen Reinlichkeit mit jedem von ihnen aufnehmen.
    »Er hat mich an meinem Geruch erkannt? Riechen nicht alle Menschen gleich?«
    Der Zauberer kicherte in sich hinein.
    »Ich muss es wissen«, beharrte ich. »Was soll ich tun, damit ich wie ein Indio rieche? Schließlich habe ich nicht die Möglichkeit, jeden Tag in die Schwitzhütte zu gehen. Gibt es da vielleicht eine bestimmte Seife?«
    Er tippte sich auf die Brust. »Schwitzen und Seife haben keinen Einfluss auf das, was im Herzen ist. Wenn du dem Weg deiner indianischen Vorfahren folgst, wirst du riechen wie ein Indio.«
    Bevor wir das Dorf verließen, behandelte der Zauberer die Krankheiten einiger Dorfbewohner. Wie Bruder Antonio, der die Armen von

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