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Das Blut der Azteken

Das Blut der Azteken

Titel: Das Blut der Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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mir, dass es sich um ganz gewöhnliche nächtliche Geräusche handelte; Vögel, Käfer und Grillen schwiegen nur, weil es ihnen zu feucht war, die Köpfe aus ihren Löchern zu strecken. Dennoch wurde ich das bohrende Gefühl nicht los, dass sie sich versteckten, weil etwas Größeres, Todbringenderes auf Beutezug war.
    Wieder fiel ich in einen unruhigen Schlaf.

26
    Beim ersten Morgengrauen kroch ich aus dem Gebüsch und machte mich wieder auf den Weg. Wegen meiner durchnässten Kleider schritt ich rasch aus, um mich ein wenig aufzuwärmen. Als die Sonne aufging, stieg Dunst aus den Pflanzen auf, sodass ich eine Zeit lang nur ein paar Meter weit sehen konnte. Ich marschierte weiter, die Straße stieg an, und bald hatte ich den Nebel hinter mir gelassen. Die Sonne schien, und der Himmel war blau.
    Ich beschmierte mir Gesicht und Hände mit Erde, damit meine Haut dunkler wirkte, und senkte den Kopf, wenn ich anderen Menschen begegnete. Am späten Nachmittag, als ich schon schwach vor Hunger war, erreichte ich eine Lichtung, wo einige Reisende gerade dabei waren, ihr Nachtlager aufzuschlagen. Es waren alles indianische Händler. Die meisten trugen ihre Waren auf dem Rücken, doch ein paar von ihnen besaßen sogar einen Esel. Maultiere waren nicht in Sicht. Nur wenige Indios konnten sich einen Esel leisten, geschweige denn ein erheblich größeres, fast doppelt so teures Maultier.
    Obwohl ich etwas zu essen brauchte, wagte ich nicht, mich den Indios zu nähern. Diese Männer, die von Dorf zu Dorf zogen, verfügten gewiss über mehr Weltgewandtheit und waren besser über die Ereignisse in der Gegend im Bilde als die einfachen Bauern. Ich hatte beschlossen, auf dem nächsten Feld, das ich sah, Mais zu stehlen und diesen roh zu verschlingen.
    Vorsichtig schlich ich mich vom Lager weg und ins Gebüsch, um niemandem zu begegnen, als ich plötzlich eine vertraute Gestalt bemerkte. Als ich den alten Zauberer zum letzten Mal gesehen hatte, hatte er mir auf dem Markt ein wertloses Stück Lava verkauft.
    Ich eilte auf den Alten zu, um ihm beim Abladen zu helfen, und begrüßte ihn auf Náhuatl. »Ich freue mich, dich w iederzusehen«, sagte ich. »Erinnerst du dich an mich?«
    »Ja, natürlich. Ich habe dich schon erwartet.«
    »Erwartet? Woher wusstest du, dass ich kommen würde?«
    Ein Schwarm Vögel flog zwitschernd über uns hinweg. Der alte Mann wies zum Himmel und kicherte leise vor sich hin. Dann bedeutete er mir, seine Sachen vom Esel zu laden. Während ich gehorchte, kniete er sich hin, um Feuer zu machen.
    Der Anblick des Kochfeuers löste in mir heftiges Magenknurren aus. Ich vergaß meine Absicht, mein Geld von ihm zurückzuverlangen, als ich mit ihm zusammen das Abendessen vorbereitete. Auch Guzmán war oft mit einem älteren Mann gereist. Bestimmt konnte der alte Indio einen jungen Burschen gebrauchen, der ihm unterwegs beistand und ihn bei seinen Zaubertricks unterstützte.
    Bald hatte ich mich an heißen Tortillas, Bohnen und Chilischoten satt gegessen. Zufrieden kauerte ich neben dem fast heruntergebrannten Feuer, während der Zauberer eine Pfeife rauchte.
    »Ich bin meinem spanischen Herrn davongelaufen«, sagte ich ihm. »Er hat mich ständig geprügelt und mich härter arbeiten lassen als ein Maultiergespann.«
    Während ich meine Lüge ausschmückte, wie nur ein lépero es vermag, hörte der alte Mann schweigend zu; Rauch quoll zwischen seinen Lippen hervor. Ich überlegte, ob der Rauch ihm vielleicht verriet, dass ich log, aber er gab nur ein leises Brummen von sich. Nach einer Weile blieben mir die Lügen im Halse stecken.
    Schließlich stand er auf und gab mir eine Decke.
    »Morgen in aller Früh brechen wir auf«, meinte er. Seine Miene war unbewegt, doch seine Stimme klang beruhigend. Am liebsten wäre ich in Tränen ausgebrochen und hätte ihm die Wahrheit gebeichtet. Aber ich wusste nicht, wie er reagieren würde, wenn er erfuhr, dass ich unter Mordverdacht stand. Erleichtert kuschelte ich mich in die Decke.
    Mein Magen war voll. Und noch wichtiger war, dass ich jemanden gefunden hatte, der mich durch diese Wildnis führte.
    Natürlich trauerte ich um Bruder Antonio, meinen Vater, auch wenn er mich nicht wirklich gezeugt hatte. Das Leben bei ihm war kein Paradies gewesen. Trunksucht und Lüsternheit hatten zu seinen vielen Sünden gehört. Aber ich hatte nie daran gezweifelt, dass er mich wirklich liebte.
    Als ich auf dem Boden lag und in den Nachthimmel hinaufstarrte, dachte ich an die alte Señora und

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