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Das Blut der Azteken

Das Blut der Azteken

Titel: Das Blut der Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Kräutern vertreiben lassen.
    Die spanischen Priester bekämpften den Aberglauben der Indios und versuchten, diesen durch christliche Rituale zu ersetzen.
    Wie bei den Christen gab es auch bei den Azteken eine Unterwelt und ein Paradies. Doch ob man in die Hölle oder in den Himmel kam und was mit der Seele geschah, hing nicht davon ab, wie man gelebt hatte, sondern von der Todesart.
    Das Haus der Sonne war ein himmlisches Paradies im Osten der Aztekenwelt. Im Kampf gefallene Krieger, Menschen, die geopfert worden waren, und im Kindbett gestorbene Frauen genossen die Ehre, nach ihrem Tod an diesem idyllischen Ort weiterleben zu dürfen. Im Haus der Sonne gab es wundervolle Gärten, immer schönes Wetter und die köstlichsten Speisen.
    Nach vier Jahren kehrten die Krieger, die Geopferten und die im Kindbett gestorbenen Frauen als Kolibris auf die Erde zurück.
    Die meisten Menschen hingegen, also die, welche Krankheiten, Unfällen oder Altersschwäche erlegen waren, endeten im Totenreich Mictlán.
    Diese Unterwelt, im Norden des Aztekenlandes, war eine glühend heiße Wüste, in der gleichzeitig eisige Winde wehten. Mictlántecuhtli, der Herrscher von Mictlán, trug eine Totenschädelmaske und einen Umhang aus Menschenknochen. Um Mictlán zu erreichen, musste die Seele acht Höllen durchreisen. Nach vier Jahren der Prüfungen und Qualen kamen die Toten endlich in der neunten Hölle an, die tief im Inneren der Erde lag. In diesem glühend heißen Reich, wo Mictlántecuhtli und seine Königin herrschten, wurde das, was die Christen als Seele bezeichnen, verbrannt, um den ewigen Frieden zu erlangen.
    Was mich betraf, hätte ich den christlichen Himmel jederzeit Mictlán vorgezogen. Selbst Diebe, Mörder und léperos konnten es dorthin schaffen, wenn sie am Ende nur ihre Sünden bereuten.
    Zum Tod an sich nahmen die Azteken eine fatalistische Haltung ein. Er verschonte niemanden, weder die Reichen noch die Armen, die Guten oder die Bösen. Der Zauberer sang mir am Lagerfeuer ein Lied vor:
    Selbst Jade wird zerbersten,
s elbst Gold wird zerbrechen,
wir leben nicht ewig auf dieser Erde:
Nur ein Augenblick ist uns bestimmt.
    »Haben die Azteken an ein Leben nach dem Tod geglaubt?«, wollte ich von dem Zauberer wissen. »So wie die christlichen Priester es lehren?«
    »Es gibt ein weiteres Lied, das deine Frage beantwortet«, erwiderte er.
    Werden wir vielleicht ein zweites Mal leben?
Dein Herz weiß es genau:
Wir kommen nur ein Mal auf die Erde.

31
    Du wirst die Lebensweise der Azteken erst verstehen, wenn du mit deinen Ahnen gesprochen hast«, sagte mir der Zauberer.
    Inzwischen zog ich schon über ein Jahr mit dem Zauberer durchs Land. Mein sechzehnter Geburtstag war gekommen und vergangen, und bald würde ich wieder ein Jahr älter sein. Auf unseren Wegen hatte ich fließend Náhuatl gelernt und konnte mich auch in einer Reihe weiterer Indiodialekte verständigen. Eigentlich glaubte ich, die Lebensweise meiner aztekischen Vorfahren inzwischen zu kennen, doch als ich das dem Zauberer erklärte, schnalzte er nur mit der Zunge.
    »Wie kann ich mit den Göttern sprechen?«, fragte ich ihn.
    Er zwitscherte wie ein Vogel. »Du musst dorthin gehen, wo sie wohnen, und deine Gedanken öffnen. Unser nächstes Ziel ist der Hort der Götter«, erwiderte er.
    Wir hatten das Tal von Mexiko erreicht, eine breite Senke zwischen den Bergen, in der sich das wertvollste Land Neuspaniens befand. Dieses Tal war das Herz und die Seele der Welt der Azteken gewesen und erfüllte nun für die Spanier der Neuen Welt dieselbe Funktion. Dort befanden sich auch die fünf großen Seen, die eigentlich ein einziger waren. Zu ihnen gehörte der See Texcoco, an dessen Ufern die Azteken Tenochtitlán gebaut hatten, die große Stadt, die die Spanier zerstört hatten, um an ihrer Stelle Mexiko-Stadt zu errichten.
    Allerdings brachte mich der Zauberer nicht zu der Stadt am See, denn noch immer versuchten wir, alle großen Ansiedlungen zu meiden.
    Noch nie hatte ich den alten Mann so begeistert gesehen. Doch das war nicht weiter verwunderlich, denn wir befanden uns auf dem Weg nach Teotihuacan, dem Hort der Götter, der heiligen Stadt der Azteken.
    »Teotihuacan ist eigentlich keine Aztekenstadt, sondern stammt aus viel früherer Zeit«, erklärte mir der Zauberer. »Sie wurde von einem Volk gebaut, das noch älter und mächtiger war als alle bekannten Indioreiche, und war die prächtigste Stadt der einen Welt.«
    »Was ist mit ihr geschehen? Warum wohnt

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