Das Blut der Berge (Die Steinzeit-Trilogie) (German Edition)
Tamboos Söhnen auf sie zu. Pinaa war überrascht und verlegen zugleich. Sie befürchtete, dass er ihren kleinen Schmerzanfall vielleicht gesehen haben konnte. Zudem erinnerte sie sich nicht an seinen Namen. Sie hatte ihn nur einmal kurz gesehen und vielleicht ein paar Worte mit ihm gewechselt. Ein leises und erwartungsvolles "Hallo." war daher alles, was sie zustande brachte. Der Junge lächelte sie an und erwiderte ihren Gruß. "Hallo. Ich bin Niloo, Tamboos dritter Sohn." Er hatte also gar nicht erwartet, dass sie sich an ihn erinnerte. Wusste er überhaupt, wer sie war oder suchte er jemand anderen? "Ich komme, um dir zu sagen, dass Tiboos Frau das Kind bekommen hat." fuhr er fort und Pinaas Herz begann zu pochen. "Und sie möchte gern, dass du es dir ansiehst." "Ich ... ja ..." Sie strich sich nervös durch die Haare und suchte nach den richtigen Worten. "Tiboo ist auf der Jagd." unterbrach Niloo ihre Sprachversuche. "Und mein Vater hat es ausdrücklich erlaubt, auch wenn meine Mutter vielleicht nicht damit einverstanden ist." "Ich hole meine Sachen." Pinaa rannte aufgeregt los. Hoffentlich ging es Ishara und dem Kind gut. Was sollte sie mitnehmen? Auf halbem Weg erinnerte sie sich an Niloo. Sie drehte sich hektisch um und rief: "Danke! Äh ... danke, ich ..." Aber er lächelte nur und wandte sich dem Pfad zurück in seine Siedlung zu.
Pinaa suchte nervös einige Pflanzen und Säfte zusammen und schmiss alles achtlos in einen Beutel, dann rannte sie los. Sie hatte gar nicht gefragt, ob alles gut verlaufen war. Auch nicht, wann das Kind genau zur Welt gekommen war oder ob es ein Junge oder Mädchen war. War es schon letzte Nacht passiert? Hatte Tiboo das Kind schon gesehen?
Als sie in das Lager stürmte, saß Niloo vor Satoos und Tiboos Hütte. "Danke." flüsterte sie ihm noch mal zu, dann betrat sie zaghaft den Raum. Ishara saß in ihrem Nachtlager und hielt ihr Kind im Arm. Neben ihr saßen Tiboos Mutter und Tamboos Schwester Taba. Alle drei blickten gleichzeitig auf und Pinaa blieb erstarrt stehen. "Hallo." war wieder alles, was sie heraus brachte. Während Tiboos Mutter sie grimmig ansah und den Kopf gleich wieder senkte, antwortete Taba mit einem lauten "Hallo!", das einladender klang, als Pinaa es erwartet hatte und Ishara lächelte über das ganze Gesicht. "Komm her Liebes." winkte Taba sie heran. "Schau dir unsere wundervolle Kleine an." Es war also ein Mädchen geworden. Und trotzdem waren alle so fröhlich? Das weckte Hoffnung in Pinaa. Sie setzte sich in den Kreis und Ishara reichte das kleine neue Sippenmitglied vorsichtig zu ihr herüber. Pinaa nahm das Kind und betrachtete das kleine Gesicht und die winzigen Fäustchen, die vorne auf der Brust lagen und deren Finger unaufhörlich auf und zu gingen. Das kleine Mädchen hatte die Augen geschlossen, die Zunge guckte aus dem Mund. Offenbar schlief sie friedlich. Pinaa wog sie leicht hin und her und legte sie dann behutsam neben Ishara auf ein Fell, um sich alles genau anzusehen. "Ist sie nicht wunderschön?" fragte Taba entzückt und Pinaa nickte. "Ja, das ist sie." Dann fragte sie: "Lief alles gut? Hat es lange gedauert?" "Nein, es gab keine Probleme." antwortete Taba. "Sie hat uns erst heute früh Bescheid gesagt und da war es schon fast erledigt. Sie hat das sehr gut gemacht, oder?" Mit der einen Hand strich sie sanft über Isharas Arm, mit der anderen stieß sie Tiboos Mutter an. "Sehr gut." bestätigte diese wenig überzeugend. "Und es geht ihr gut?" wollte Pinaa wissen. "Sehr gut." sagte nun Ishara und lachte. Taba lachte ebenfalls. Tiboos Mutter schüttelte nur den Kopf und Isharas Tochter erwachte und schien auch zu lachen. Pinaa kitzelte sie am Bauch und das Kind strampelte mit Armen und Beinen, sabberte und lächelte dabei breit. "Sie ist gesund." sagte Pinaa. Und etwas leiser hinterher. "Sie ist perfekt." Sie spürte Isharas Liebe zu dem Kind und stellte sich gerade vor, wie es sich anfühlen würde, wenn sie selbst ein Kind in den Armen halten würde. Ihr Kind. Tisgars Kind. Es wäre wunderschön. Junge oder Mädchen. Es wäre auch perfekt. Bestimmt.
Das Bild wurde jäh unterbrochen, als sie eine bekannte Stimme hörte. "Was will die denn hier?" Tiboo war zurück und wollte sein Kind sehen. Pinaa wollte er sicher nicht sehen. "Bleib friedlich." mahnte Taba. "Sie hat nur geschaut, ob alles in Ordnung ist." Tiboo wollte noch etwas sagen, aber seine Mutter kam ihm zuvor. "Alles ist natürlich gut. Du hast eine wunderbare gesunde Tochter."
Weitere Kostenlose Bücher