Das Blut der Unschuldigen: Thriller
zu.
»Was willst du?«
»Kannst du mir helfen, meine Hemden zusammenzulegen?«
»Hat dir deine Mutter nicht gezeigt, wie das geht? Das hätte sie tun sollen.«
Das Lächeln gefror ihm auf den Lippen, und er ballte die Fäuste, rührte sich aber nicht. Sie merkte, dass er sich große Mühe gab, sie nicht zu schlagen, und das überraschte sie.
»Ich hab dich nur um deine Hilfe gebeten. Das ist doch kein Grund, eingeschnappt zu sein.«
Sie beschloss, ihm den Gefallen zu tun. Je früher er seinen Koffer gepackt hatte, desto eher würde er gehen und aufhören, die Verwandten mit seiner Anwesenheit zu belästigen.
»Es ist noch sehr früh. Wenn fährt dein Bus nach Algeciras?«
»Um neun, aber ich bin gern immer etwas früher da.«
Sie gingen nach oben in das kleine Zimmer, das er bewohnte. Nebenan schlief Fatima mit den Kindern.
Mustafas Kleidungsstücke lagen auf dem Bett, daneben der offene Koffer. Sie trat an das Bett und nahm eins der Hemden, um es zusammenzulegen. Sie drehte sich um, als sie hörte, wie die Tür geschlossen wurde. Den Schrei, den sie ausstoßen wollte, erstickte Mustafa, indem er ihr mit einer Hand den Mund zuhielt, während er ihr mit der anderen ein langes Messer an die Kehle setzte. Sie spürte einen unerträglichen stechenden Schmerz, dann hüllte die Schwärze des Todes sie ein.
Fatima wurde von einem Geräusch im Nebenzimmer wach. Sie lauschte aufmerksam, hörte aber nur Mustafas Schritte. Was mochte der Kerl um diese frühe Stunde tun? Sie sah zu den Kindern hinüber und war beruhigt, als sie sah, dass sie friedlich weiterschliefen. Dann stand sie auf, warf sich einen Morgenmantel über und trat lautlos auf den Gang hinaus. Die Tür zu Mustafas Zimmer war geschlossen, die von Lailas Zimmer hingegen stand offen. Besorgt sah sie hinein. Es war leer. Sie ging in die Küche hinunter und fand dort frischen Kaffee und eine halbleere Tasse auf dem Tisch.
Während sie Laila im ganzen Haus suchte, stieß sie auf dem Flur mit Mustafa zusammen.
»Was treibst du?«, fragte er sie leise und mit drohendem Unterton.
»Ich suche Laila.«
»Die ist raus. Ich glaube, sie wollte joggen gehen.«
Fatima beruhigte sich. Die Schwägerin stand oft früh auf, und sie joggte regelmäßig, wenn auch nicht so früh.
»Gut. Brauchst du was?«, fragte sie Mustafa.
»Nein. Nichts. Aber ich hab Kopfschmerzen. Ich glaube, ich leg mich noch mal hin.«
»Wann fährt dein Bus?«
»Um neun, aber wahrscheinlich nehm ich einen späteren. Es macht nichts, wenn ich die eine Fähre nicht kriege, da fahren noch andere. Jetzt leg ich mich hin. Es geht mir nicht gut.«
»Soll ich dir eine Tablette geben oder einen Tee machen?«
»Nein, ich brauche nichts. Sorg aber dafür, dass mich keiner weckt. Ich steh von selber auf.«
»In Ordnung.«
Voll Sorge kehrte sie in ihr Zimmer zurück. Etwas an Mustafas Verhalten hatte sie misstrauisch gemacht. Sie musste daran denken, dass Mohammed sie gebeten hatte, auf seine Schwester zu achten.
Unschlüssig setzte sie sich auf die Bettkante, dann zog sie sich rasch an und ging in die Küche, um dort auf Laila zu warten. Sie würde erst wieder ruhig sein, wenn sie sie zurückkehren sah.
Madrid, Karfreitagvormittag
Kommissar Arturo García, Leiter der Madrider Zweigstelle des Zentrums der Europäischen Union zur Terrorismusabwehr, rief Lorenzo Panetta an. »Möglicherweise haben wir was gefunden. Vor einigen Tagen ist eine Pilgergruppe aus einer Pfarrei in der Provinz Granada nach Jordanien und ins Heilige Land aufgebrochen. Veranstaltet hat die Fahrt das Reisebüro dieses Omar, der Professor al-Bashirs Vortrag in Granada organisiert hat. Ich habe die vollständige Liste der Teilnehmer noch nicht,
aber ich hoffe, sie noch heute Morgen zu bekommen. Auf jeden Fall haben wir den Israelis alle wichtigen Angaben durchgegeben, was es ihnen ermöglichen müsste, die Gruppe mühelos aufzuspüren. Außerdem sind in Omars Auftrag vorgestern zwei Busse mit Pilgern nach Santo Toribio gefahren. Soweit uns bekannt ist, sind die Leute in Potes untergebracht, das zwei Kilometer vom Kloster entfernt liegt. Sie werden es gegen Mittag zu einem Gottesdienst aufsuchen. Wir haben unsere eigenen Leute um das Kloster herum postiert und den Mönchen Bescheid gesagt, damit sie das lignum crucis an einen sicheren Ort bringen. Wir sind nicht sicher, ob wir den Zugang zum Kloster sperren oder die Pilger weiterhin ungehindert hineinlassen, damit sie beten und ihren Ablass bekommen. Dabei könnte man die
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