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Das Blut der Unschuldigen: Thriller

Das Blut der Unschuldigen: Thriller

Titel: Das Blut der Unschuldigen: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Navarro , K. Schatzhauser
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man damit höchstens, dass sich junge Leute dieser gefährlichen Lehre aus lauter Aufsässigkeit anschlossen, einfach, weil sie Mode war. Nach kurzem Zögern setzte sich sein logischer Verstand durch.
    »Martine, ich glaube, unsere Kollegen haben Recht. Wir sollten etwas unternehmen. Angesichts der Gefahr, die von dieser fremdenfeindlichen Haltung ausgeht, dürfen wir nicht untätig bleiben. Dazu gehört, dass wir bei widerwärtigen Äußerungen, wie du sie geschildert hast, sofort scharf durchgreifen.«
    »Der Haken an der Sache ist, dass es Kollegen gibt, die Verständnis für manche dieser Vorstellungen zeigen…«, gab sie zu bedenken.
    »Das sind eben keine Mediävisten«, lachte Arnaud. »Für sie sollten wir vielleicht ein Gratiskolleg einrichten und ihnen darlegen, wie die Menschen im Mittelalter gelebt haben.«
    Sie unterhielten sich noch eine ganze Weile weiter. Ihrer Runde schlossen sich weitere Kollegen an, und alle stimmten mit Bezug auf die Diagnose überein: Manche Studenten vertraten unverhüllt ein Weltbild, dessen Ziel es war, ähnlich wie Hitler-Deutschland mit Hilfe einer Rasse von Übermenschen ein Großeuropa zu errichten. Allerdings, darin waren sie sich einig, würde solches Gedankengut in Frankreich äußerstenfalls bei Minderheiten Zustimmung finden.
     
    Der Bericht der Expertengruppe an der historischen Fakultät war eindeutig: Das Alter der Pergamente stimmte mit der Datierung Mitte des 13. Jahrhunderts überein. Auch wenn dieses Ergebnis Professor Arnaud nicht überraschte, freute es ihn doch. Bruder Juliáns Chronik hatte ihn stärker angerührt, als er zugegeben hätte, und er brannte darauf, einen wissenschaftlichen Aufsatz darüber zu schreiben. Ihm war nicht klar, welchen anderen als den historischen und wissenschaftlichen Wert, den sie zweifellos besaß, der sonderbare Graf und sein merkwürdiger Anwalt ihr beizumessen gedachten.
    Graf d’Amis hatte ihn gebeten, ihn noch einmal auf der
Burg aufzusuchen, wo sie über das weitere Vorgehen sprechen wollten. Zwar war Arnauds Hoffnung, ihn dazu bringen zu können, dass er ihn einen Aufsatz über die Chronik verfassen ließ, nur gering, doch schien ihm der Versuch der Mühe wert zu sein, selbst wenn er sich dafür sozusagen auf feindliches Gebiet begeben musste.
    »Darf ich mit?«, fragte ihn sein siebzehnjähriger Sohn David.
    »Von mir aus gern. Ich weiß aber nicht, wie sich der Graf dazu stellen würde. Er ist ein bisschen sonderbar«, redete sich Arnaud heraus.
    »Du siehst den Jungen so selten«, hielt ihm seine Frau Miriam vor. »Ich habe mich ja inzwischen daran gewöhnt, dass du fortwährend gehst und kommst und nie hier bist, aber du fehlst David.«
    Er wusste, dass sie Recht hatte, wollte aber seine Beziehung zu dem Grafen nicht noch mehr belasten, indem er seinen Sohn mitbrachte. Während er Miriam ansah, empfand er mit einem Mal eine sonderbare Unruhe, weil ihm das Gespräch mit seinen Kollegen über die judenfeindliche Politik der deutschen Regierung einfiel, die in manchen Teilen der französischen Bevölkerung auf Verständnis zu stoßen schien.
    Sie war Jüdin, doch da beide ihrer jeweiligen Religion eher gleichgültig gegenüberstanden, ging sie weder zur Synagoge noch er zur Messe. Auch in Davids Leben spielte die Religion keine Rolle. Bei seiner Geburt hatten Miriams Eltern, deren einziges Kind sie war, eindringlich gebeten, ihn beschneiden zu lassen. Fernand hatte zugestimmt, und seine Eltern, Agnostiker wie er selbst, hatten sich dahingehend geäußert, dass er nach Belieben verfahren solle. »Man kann niemandem eine Religion aufzwingen«, hatte Fernands Vater gesagt. »Wenn der Junge erwachsen ist, wird er selbst entscheiden, woran er glaubt, falls
er überhaupt an etwas glauben möchte.« Miriams und Fernands Überzeugung nach war die Religion nicht nur eine Quelle des Aberglaubens, sie stellte sich auch trennend zwischen die Menschen. Doch für die jüdische Gemeinde galt David nach mosaischem Gesetz als Jude, denn seine Mutter war Jüdin und er vorschriftsmäßig beschnitten.
    Miriams Eltern sorgten, wenn auch zurückhaltend und ohne Forderungen zu stellen, dafür, dass er nicht allzu fern von seinem Glauben aufwuchs, und so war er mit dreizehn Jahren durch die Bar-Mizwa-Feier in die Welt der Erwachsenen aufgenommen worden.
    Gelegentlich begleitete er die Großeltern, denen er sehr zugetan war, am Sabbat in die Synagoge, und so waren sie mit ihrem einzigen Enkel hochzufrieden.
    Inzwischen aber stellte sich

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