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Das Blut der Unschuldigen: Thriller

Das Blut der Unschuldigen: Thriller

Titel: Das Blut der Unschuldigen: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Navarro , K. Schatzhauser
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Äußerungen über Juden hatte Professor Marburg getan, nicht der Graf.
    »Ihr Sohn sagt, wir Juden seien eine Pestbeule.«
    »Mein Sohn ist zehn Jahre alt und hört Dinge, die er nicht versteht. Das veranlasst ihn zu, zu … sagen wir, zu unbesonnenen Äußerungen. Ich bitte in seinem Namen um Entschuldigung.«
    David wusste nicht, was er sagen sollte. Er sah zu Professor Marburg hin, in der Erwartung, dass dieser ihm einen Vorwand liefern werde, aufzustehen und seinen Zorn loszuwerden.
    Doch der Mann schien an der Sache nicht weiter interessiert zu sein und blickte betont versonnen den Rauchwölkchen seiner Zigarette nach.
    »Ich möchte jetzt zu meinem Vater gehen«, war alles, was er herausbrachte.
    »Tun Sie das, aber belästigen Sie ihn bitte nicht mit Missverständnissen.«
    David wandte sich um und schritt auf die Treppe zu. Er wollte den Vater in seinem Zimmer aufsuchen und ihn bitten, dass sie die Burg sofort verließen, und wenn sie zu Fuß gehen müssten.
     
    »Ah, du bist schon zurück!« Arnaud lag erkennbar missgelaunt auf dem Bett und las. »Wirklich schade, dass wir nicht früher gehen können. Ich fürchte, dass wir jetzt mit diesen Leuten auch noch zu Mittag essen müssen.«
    »Die haben gesagt, wir Juden sind eine Pestbeule«, stieß David äußerst aufgebracht hervor.
    Arnaud setzte sich auf und fragte besorgt: »Was sagst du da?«
    »Der Junge, dieser Raymond, spricht Dinge aus, die sein Vater und die anderen nicht offen zu sagen wagen«, teilte ihm David mit. »In ihren Augen gibt es nichts Schlimmeres als Demokraten und Juden. Ich habe gehört, wie sie sich anschließend
darüber unterhalten haben. Professor Marburg hat erklärt, wenn du Jude bist, will er auf keinen Fall mit dir zusammenarbeiten, weil du sowieso nicht möchtest, dass sie den Gral suchen.«
    »Was für ein Unsinn ist das? Ich gehe sofort hinunter und spreche mit dem Grafen. Wir können ohne weiteres einen früheren Zug nehmen.«
    Auch wenn sich David zu beruhigen schien, begriff Arnaud, dass der Junge litt, weil er sich wegen seines angeblichen Andersseins zurückgewiesen fühlte.
    »Was ist daran schlecht, wenn jemand Jude ist? Warum hassen uns manche Menschen so?«
    »Dummköpfe hassen, was sie nicht verstehen. In der Geschichte Europas hat es entsetzliche Zeiten der Verfolgung gegeben: die Inquisition, die Pogrome … Da man im Juden den Fremden sieht, einen Menschen, der anders ist als andere, glaubt man, ihm die Schuld an allem zuweisen zu können, was in der Gesellschaft schlecht ist. Auf diese Weise lenken die Mächtigen das Volk davon ab, dass sie selbst ihre Pflichten gegenüber der Gesellschaft nicht erfüllen. Ganz davon abgesehen ist es lohnend, sich den Besitz der Juden aneignen zu können, vor allem aber, Gelder nicht zurückzahlen zu müssen, die man von ihnen aufgenommen hat.«
    »Oma und Opa sind aber gar nicht reich, und auch Tante Sara nicht …«, brachte David heraus.
    »Das stimmt. Ebenso hat es sich mit den meisten Juden verhalten, die man auf dem Scheiterhaufen verbrannt hat. Die größte Perversion der Henker besteht darin, dass sie ihren Opfern immer wieder einreden, sie seien an etwas schuld, für das sie büßen müssen, bis diese das für bare Münze nehmen und sich insgeheim fragen, was sie Böses getan haben. Frag dich
gar nicht erst, warum die Nazis deine Tante und deinen Onkel verfolgen, was deine Großeltern oder du selbst getan haben könnten, damit man euch hasst. Allein schon, dass man euch dazu bringen will, euch selbst diese Frage zu stellen, ist eine Ungeheuerlichkeit.«
    »Ich verstehe diesen Hass nicht. Du kannst dir nicht vorstellen, wie herabsetzend Raymond von uns Juden gesprochen hat, und auch Professor Marburg … Überhaupt scheint der mir der Schlimmste von allen zu sein.«
    Ein Klopfen an der Tür unterbrach das Gespräch. Der Butler überbrachte die Bitte des Grafen, Vater und Sohn möchten in den Salon kommen, sobald sie bereit seien.
    Arnaud seufzte. Er war gespalten: Zwar war es sein Herzenswunsch, sich gründlich mit der Chronik beschäftigen zu können, doch empfand er zugleich das dringende Bedürfnis, die Burg so rasch wie möglich zu verlassen. Es kam ihm vor, als müsste er dort ersticken.
    Im Salon erwartete sie der Graf zusammen mit seinem Sohn und dem Anwalt.
    Vorwurfsvoll sah Raymond, auf dessen Gesicht sich Schmerz und Angst spiegelte, David an.
    »Professor Arnaud, ich habe bereits mit Ihrem Sohn gesprochen und mich bei ihm entschuldigt. Das möchte ich

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