Das Blut der Unsterblichen
nicht, Marcus del Casals. Wieso ziehst du es vor, deine Zeit mit einer Sterblichen zu vergeuden, anstatt sie mit deinesgleichen zu verbringen? Wir sind Jäger und Jäger halten sich ihre Beute nicht als Haustiere“, sagte sie, bevor sie mit quietschenden Reifen davonfuhr.
Ob es nun daran lag, dass er beim letzten Treffen nicht auf ihren Annäherungsversuch eingegangen war oder ob sie es tatsächlich mit den Gesetzen der Unsterblichen so genau nahm, sie war in jedem Fall argwöhnisch. Und sie hatte nicht einmal unrecht. Eine blutrünstige Bestie schlummerte in ihm. Und wenn sie hervorkam, um sich zu nähren, war das weder sinnlich noch erhaben. Die Menschen, die er tötete, litten Schmerzen, wenn auch nur kurz, und sie hatten Angst, Todesangst. Warum sonst vermied er es, in die verlöschenden Augen seiner Opfer zu blicken, während sie starben? Er wollte sie nicht sehen, die Bestie, gefangen im letzten Augenblick eines Sterbenden. Nur der anschließende Blutrausch ließ ihn die Grausamkeit des Tötens ertragen. So gesehen war seine Beziehung zu Kristina widernatürlich und masochistisch. Er musste eine Lösung finden, und zwar bald. Entweder musste er Kristina verlassen - bei dem Gedanken daran krampfte sich sein Herz schmerzhaft zusammen - oder er musste den Ältestenrat darum bitten, sie zu verwandeln. Das wiederum könnte ihren Tod bedeuten. Wenn er sie verließ, war sie sicher. Wenn er bei ihr blieb, brachte er sie auf die ein oder andere Weise in Gefahr.
Er wandte sich Kristina zu und betrachtete ihr Profil. Es verlangte ihn so sehr danach, sie glücklich zu machen, dass es fast schon wehtat. „Möchtest du heute Abend tanzen gehen?“, hörte er sich fragen.
Er wusste, dass sie schon seit Wochen mit ihm tanzen gehen wollte, hatte sich bisher jedoch erfolgreich gegen diesen Wunsch gewehrt. Clubs und Diskotheken waren ein bevorzugtes Jagdgebiet von Unsterblichen und er wollte nicht in Gefahr laufen, einem der Seinen zu begegnen. Außerdem war da sein ständiges, von ihrer Gegenwart angeheiztes, Verlangen nach Menschenblut.
Ihr strahlendes Lächeln ließ ihn seine Bedenken jedoch für den Moment vergessen. „Oh ja gerne. Ich war schon so lange nicht mehr tanzen. Unglaublicherweise bin ich regelrecht auf Entzug.“
Sie hob den Kopf und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen.
Der Tanzklub lag im Keller eines mehrstöckigen Gebäudes und war brechend voll. Die verschiedensten Gerüche stürmten auf Marcus ein, allen voran der intensive, alles überlagernde Duft erhitzten Blutes. Der Jäger in ihm freute sich und machte sich bereit. Mühevoll kämpfte Marcus sich zur Bar durch und bestellte zwei Gläser Cola. Eines hätte zwar genügt, aber wie immer galt es, den Schein zu waren. Während er wartete, blickte er sich nach Kristina um, die neben der Tanzfläche stand und sich im Rhythmus der Musik bewegte. Es war unübersehbar, dass sie tanzen wollte und sie sah verflucht sexy aus, in dem Minirock und dem hautengen Top. Marcus drängte den Barkeeper zur Eile und bahnte sich einen Weg zurück, als er sah, wie sich auch schon der erste Kerl an sie heranmachte. Kristina schüttelte den Kopf und deutete in Marcus’ Richtung. Er beschwichtigte die Bestie in sich und grinste zufrieden.
„Wie ich Zuhause schon gesagt habe, ich kann dich keine Minute aus den Augen lassen“, sagte er, als er wieder bei ihr war.
Kristina zuckte mit den Schultern, trank von der Cola, stellte diese dann auf ein kleines Sims an der Wand und huschte auf die Tanzfläche. Marcus folgte ihr eilig.
So vorsichtig wie möglich schlängelte er sich durch die Menge, sorgsam darauf bedacht, niemanden anzurempeln oder umzustoßen. Ein Mann zu seiner Rechten machte eine ausladende Bewegung, stieß gegen ihn, prallte ab und stolperte seitlich in andere Tanzende hinein.
Der Mann machte ein verblüfftes Gesicht. „He Mann, was soll das? Wieso hast du mich geschubst?“
Marcus beeilte sich, eine entschuldigende Miene aufzusetzen und lächelte ihn, wie er hoffte freundlich, an. „Das tut mir leid, es lag nicht in meiner Absicht, Sie anzurempeln. Bitte verzeihen Sie mir.“
Der Mann runzelte die Stirn und musterte ihn abschätzend, offensichtlich überlegte er, ob er den Vorfall auf sich beruhen lassen sollte oder nicht. Marcus verspürte den plötzlichen Drang, ihn anzufallen und ihm die Zähne in den Hals zu rammen. Sein bemühtes Lächeln glich dann auch eher einer gehässigen Fratze. Wie die meisten Menschen spürte der Mann die Bedrohung,
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