Das Blut der Unsterblichen
bitte, Männer sind zwar grundsätzlich nicht vertrauenswürdig, aber sie sind nicht alle Triebtäter.“ Kristina seufzte resigniert. „Vielleicht sollten wir dieses Thema nicht weiter vertiefen. Offensichtlich sind wir da unterschiedlicher Meinung.“
Marcus nickte. „In Ordnung. Ich entschuldige mich noch einmal für mein Verhalten und ich bin einverstanden, das Thema hiermit fallen zu lassen.“
Mit diesen Worten startete er den Wagen und brauste los. Kristina starrte gedankenverloren aus dem Fenster.
„Es tut mir leid, bitte verzeih mir“, sagte er, kurz, nachdem sie die Autobahn erreicht hatten. „Ich liebe dich.“
„Ich weiß“, sagte sie. „Und doch befürchte ich, dass deine Eifersucht eines Tages zu einem Problem werden könnte.“ Sie wandte sich ihm zu und sah ihn flehend an. „Siehst du denn nicht, wie sehr ich dich liebe, Marcus? Ich verschwende keinen einzigen Gedanken an einen anderen Mann.“
„Es ist nicht die Eifersucht, die mich quält, Kristina. Das, was du gesehen hast, das bin ich. Ich bin … wild und unberechenbar, doch würde ich dir nie etwas zuleide tun. Eines Tages werde ich dir alles erklären und dann wirst du verstehen, warum ich bin, wie ich bin, das verspreche ich dir.“
„Kannst du es mir nicht jetzt erklären?“
Marcus schüttelte bedauernd den Kopf. „Nein, das geht nicht.“
„Warum nicht?“
„Es geht einfach nicht, glaube mir.“
Sie seufzte. „Okay, ich warte. Aber nicht mehr lange.“
Eine Weile fuhren sie schweigend durch die Nacht. Irgendwann legte sie ihre Hand auf sein Bein und strich mit den Fingerspitzen über seinen Schenkel bis hinauf zu dem Reißverschluss seiner Jeans.
„Du machst mich wahnsinnig, in jeder Hinsicht“, wisperte er.
Zuhause angekommen hasteten sie die Treppen hinauf. Kaum hatten sie die Türschwelle überschritten, rissen sie sich die Kleider vom Leib und fielen übereinander her. Sie gehörte zu ihm und er gehörte zu ihr. Nichts und niemand würde daran etwas ändern.
Nach einem wilden, leidenschaftlichen Akt lag sie in seinen Armen und betrachtete ihn mit einem Gesichtsausdruck, den er nicht zu deuten vermochte.
„Warum siehst du mich so seltsam an?“, fragte er.
Zärtlich strich sie über seine Wange. „Ich möchte dich nicht verlieren.“
Er zog sie an sich und küsste ihre Stirn. „Du wirst mich nicht verlieren, ich werde bei dir bleiben.“
„Für immer?“
„Ja.“
„Versprichst du es mir?“
„Ich verspreche es.“
Lügner .
5
Der Herbst hielt Einzug und nichts deutete darauf hin, dass die Unsterblichen auf sie aufmerksam geworden waren. Marcus entspannte sich etwas. Ellen war zwar misstrauisch geworden, hatte ihn aber anscheinend nicht dem Rat gemeldet. Warum auch? Sie lebten ja nicht in einer Diktatur. Wie die Menschen hatten die Unsterblichen Regeln und Gesetze, und wie die Menschen beugten und interpretierten auch sie ihre Gesetze öfters nach eigenem Ermessen. Was machte es da schon aus, dass er mit einer Sterblichen zusammen war? Schließlich hatte er sich Kristina ja nicht offenbart. Sie wusste nichts von seiner Welt und vorerst sollte das auch so bleiben. Seit er mit ihr zusammen war, hielt er sich von anderen Unsterblichen fern. Zu groß war seine Angst, Verdacht zu erregen oder einen Fehler zu begehen. Nicht einmal bei seinem Freund und Mentor Philippe hatte er sich gemeldet.
Auch wenn er gezwungen war, sich zu verstellen und von anderen Unsterblichen fernzuhalten, so hatte er sich doch in der Beziehung mit Kristina eingerichtet. Einzig der stetig stärker werdende Blutdurst machte ihm zu schaffen. Seit dem Abend in der Diskothek hatte sich das Verlangen nach Menschenblut als brennender Schmerz in seinen Eingeweiden eingenistet, der sich auch durch ein Tier oder ein paar Tropfen von Kristinas Blut nicht mehr mildern ließ. Eine Blutkonserve kam nicht mehr infrage. Es war an der Zeit, auf Menschenjagd zu gehen. Marcus schob eine Dienstreise vor, um ein paar Tage ungestört auf die Suche gehen zu können.
Er fuhr nach Chemnitz, einer Stadt, die er wegen der hohen Verbrechensrate ausgewählt hatte, aber auch, weil sie bei den Unsterblichen eher unbekannt und somit die Gefahr geringer war, einem der Seinen zu begegnen. Mit etwas Glück würde er ein kriminelles Individuum finden, dessen Verschwinden kein Verlust für die menschliche Gesellschaft sein würde.
Kristina vermisste ihn schrecklich. Immer wieder sagte sie sich, wie lächerlich das war, denn schließlich würde er
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