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Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Titel: Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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wir wissen es alle.«
    Joe zuckte die Achseln. »Wer bezahlt also die Leitungen?«
    »Doctor Eivie aus seiner eigenen Tasche.«
    Wakiya tat den Mund auf, diesmal ohne es selbst zu wissen. »Er ist ein Mensch geworden.«
    Am nächsten Morgen ging Joe King zum erstenmal wieder an seinen Wagen heran. Spät abends kam er mit Untschida, den Zwillingen und zwei Stachelschweinen zurück.
    Das Mädchen und der Bub, kräftig und mit runden Backen, liefen und kugelten sich über die Wiesen. Wakiya-knaskiya tollte mit ihnen. Er hatte keine Angst mehr vor sich selbst. Seine Krankheit war verschwunden. Er hatte nur noch Angst um Inya-he-yukan. Tagsüber konnte ihm das niemand anmerken. Nachts weckte ihn sein eigener Schrei, und er wußte nicht, was er vorher laut gesprochen hatte. Inya-he-yukan nahm ihn auf seine Lagerstatt herüber, und Wakiya schlief an der Schulter seines Wahlvaters wieder ein. Beim Frühstück, das sonst schweigend eingenommen wurde, fragte der Hausherr:
    »Wakiya, was weißt du von deinem Bruder?« »Daß er Cowboy werden will.« »Was weißt du noch?« »Daß er schlecht lernt.« »Was weißt du noch?«
    »Daß er nicht auf die Internatsschule gehen wollte.« »Und noch?«
    »Daß er schlecht lernen und ungezogen sein will, bis er nach Haus geschickt wird, weil sie es nicht mehr mit ihm aushalten.«
    »Wenn er so weitermacht, wie er jetzt angefangen hat, kommt er nicht nach Hause, nicht einmal in den Ferien, sondern er kommt ganz woanders hin. Er hat versucht, Feuer zu legen. Vielleicht sollte es nur ein Lagerfeuer werden. Aber sie sind nun wütend auf ihn. Miss Bilkins hat mich gestern abgefangen, als ich durch die Siedlung fuhr, und hat mit mir gesprochen. Er wird natürlich schwer bestraft. Schreibe deinem Bruder aber einen Brief. Wenn er sich bis zum nächsten Jahr ein gutes Zeugnis verdient, darf er in den Ferien doch nach Hause kommen. Dann kann er auch reiten lernen. Bei mir. Nicht zimperlich. Verstanden?«
    »Ja.«
    »Aber das letzte schreibst du ihm nicht, sonst geben sie ihm deinen Brief nicht. Er ist schon etwas alt mit seinen neun Jahren; reiten lernt ein Indianer und ein Cowboy mit vier. Aber ich glaube, er schafft es noch. Bob kennt ihn ja. Aus dem Bub wird etwas. Hau.«
    Die Tage liefen dem Winter zu. Wakiya hatte vorläufig die Sorge um die Stachelschweine übernommen; Untschida wachte darüber, daß er sie regelmäßig und richtig versorgte. Für die Schule lernte er fleißig, obgleich ihm das Pensum nun so leicht fiel, daß die Versuchung, nachlässig zu werden, nahe lag. Mister Ball sprach davon, daß Wakiya eine Klasse werde überspringen können.
    An Wakiya huschte das Bild vorüber, wie er mit David und Susanne wieder in einer Klasse sitzen würde.
    Die Tage wurden kürzer, die Nächte länger. Die Stürme setzten ein. Am Himmel über den weißen Felsen braute und zerfetzte sich das Gewölk.
    Wakiya saß am Grabe des alten Häuptlings Inya-he-yukan. Er kannte jedes Grasbüschel, das hier wuchs, und jeden dunklen Flecken, der sich an dem gekrümmten Stab unter Wind und Wetter gebildet hatte. Er strich die drei Adlerfedern glatt, die als Bündel an dem Stabe hingen.
    Inya-he-yukan kam und setzte sich zu ihm. Er trug keinen Hut mehr, der Verband war abgenommen, die Haare waren wieder gewachsen. Nur die Narbe trat noch hervor.
    Wakiya hatte seinen Wahlvater schon aus dem Hause kommen und langsam heranschlendern sehen. Er war nicht überrascht. Es dauerte aber lange, bis die beiden anfingen, miteinander zu sprechen.
    »Inya-he-yukan!«
    »Ja?«
    »Die drei Adlerfedern unseres Ahnen hängen hier in Sturm und Schnee. Eines Tages werden sie zerzaust und eines andern Tages werden sie ganz vergangen sein.«
    »Ja.«
    »Was tust du dann?«
    »Dann gehe ich hinauf in den Norden, wo es noch Wälder und Adler gibt, und erlege einen Adler und bringe neue Federn an das Grab unseres Ahnen Inya-he-yukan. Hau.«
    »Ich bin dein Sohn, aber ich kann keinen Adler erlegen.«
    »Es wird Zeit, daß du endlich schießen lernst, Wakiya-knaskiya. Jetzt bist du gesund, und du kannst das üben. Als ich so alt war wie du, habe ich mir meinen Fasanenbraten längst selbst erlegt.«
    »Ist es wahr, Inya-he-yukan, daß oben im Norden noch Verwandte von uns wohnen? Und daß es dort noch Bären und Elche gibt, die man jagen darf?«
    »Ja.«
    »Nimmst du mich einmal dahin mit?«
    »In zwei Jahren, Wakiya-knaskiya.«
    »Ich möchte dir noch etwas sagen.«
    »Wenn du schon davon redest, so tue es auch.«
    »Ich habe einen

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