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Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Titel: Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Die Geister aber lehrten, daß die Sonne ihren Weg gehe und der Hilfe der Menschen nicht bedürfe.
    Wakiya schüttelte die Wirrnis der Gedanken ab und blieb bei dem, was er aus dem Munde der Mutter gehört hatte.
    Die Sonne hatte ihren großen Tag gesehen. Die Opfernden waren frei geworden.
    Erschöpft, mit den schmerzenden Wunden wurden sie den Ihren zurückgegeben.
    Nun konnte Tashina ihren Mann pflegen und heilen. Wakiya aber war bei ihm in der Hütte gewesen, in der er seine Qual durchstand und alles Blut mit dem eigenen abwusch.
    Es gab keinen Fluch mehr und keine Verdammnis, wenn die Sonne ihr Opfer freigegeben hatte.
    So dachte Wakiya.
    Als ob alle Krankheit, alle Schwäche, alle Sorge und aller Kleinmut von ihm gewichen seien, erhob er sich und schaute über das dürre, grenzenlose Land. Schritt um Schritt, im Ohr noch den Laut der verklingenden Trommelschläge und des hell gellenden Gesangs, ging Wakiya mit seinen bloßen Füßen über Gras, über harte Erde und Staub zurück zu der Hütte. Fremd schien sie ihm, armselig in ihrem verblichenen Hellblau. Er wandte ihr den Rücken und blickte nach dem Himmel, der Farben von überwältigender Kraft zaubern konnte, bis sie alle in die Nacht dahinschwanden und im sanft auszehrenden Licht des Mondes zur Ruhe gingen.
    Die Mutter sprach Wakiya nicht an. Sie kannte ihn und wußte, daß er allein sein wollte. Spät gingen Mutter und Kinder schlafen.
    Am nächsten Tag kam der jüngere Bruder zurück. Er erzählte wenig. Der Eindruck war zu mächtig gewesen.
    Die Ferientage der beiden Brüder rollten wieder abwärts wie Steine, die in immer schnelleres Rollen geraten und endlich den Hang in großem Bogen hinabspringen.
    Die beiden Buben kamen sich näher als je. Sie hatten beide Angst vor der Schule. Wakiya fürchtete die Schande, mit der er nun als Sitzenbleiber noch einmal die dritte Klasse beginnen würde. Er würde sich in dieser Klasse schämen und langweilen und noch verstockter werden als zuvor. Er kannte sich selbst gut genug, um das schon zu fühlen. Es gab jedes Jahr viele Sitzenbleiber, denn die Kinder mochten nicht die Sprache der Sieger lernen, nur sehr wenige Eltern konnten ihren Kindern helfen, und die meisten Schüler wußten nicht, wofür sie lernten. Draußen vor dem Schulhaus standen oft die schulentlassenen Burschen, die Hände in den Hosentaschen, und zeigten auf diese Weise, was ein Schulabgänger in der Welt der Reservation zu tun hatte.
    Es gab viele Sitzenbleiber. Aber unter ihnen keinen zweiten Wakiya.
    Den jüngeren Bruder schüttelte eine andere Angst. Es war die Angst vor dem Heimweh. Er war noch ein kleiner Bub und sollte nun wieder ein ganzes Jahr fort von daheim. In eine Schule, wo er niemals reiten lernen konnte. Seine Mutter, seinen Bruder, seine Schwester, die Prärie und ihre Pferde sollte er drei Jahre lang nicht wiedersehen, wenn er nicht seinen Trotz ablegen und sich nicht alle seine heißen Wünsche abgewöhnen würde. So hatte Miss Bilkins entschieden, wie sie selbst glaubte, endgültig. Die Geister herrschten über Hanska. Aber alles in ihm bäumte sich auf, wie ein bockendes Pferd sich bäumt.
    Er sagte nichts mehr davon. Die Mutter konnte es ja nicht ändern.
    Als sie ihn zwei Tage vor Beginn des neuen Schuljahres an die Hand nahm, um ihn zu der Agentursiedlung zu bringen und zu dem Überlandbus, der dort wartete, da lief er mit gesenktem Kopf neben ihr; er hatte den Kopf so tief gesenkt, daß sein Nacken bloßlag wie der eines Mannes, der ihn unter dem Henkerbeil beugen muß.
    Er haßte die Geister und träumte von dem Kriegspfad, den er beschreiten würde.
    Für Wakiya blieben nach dem Abschied von Hanska noch zwei Tage Zeit. Er nutzte sie, um der Mutter Wasser zu holen. Als er am letzten Tag von diesem Gang zurückkam, fand er die Mutter verändert. Sie sah ihren Wakiya mißtrauisch von der Seite an.
    Der Junge, bis zum achten Lebensjahr kleiner als die anderen Kinder seines Alters, war im Krankenhaus und in der Zeit danach stark gewachsen. Lang aufgeschossen, schmal und mager stand er neben der Mutter. Aber es blieb bei Elizas verwundertem, fragendem, nicht eben freundlichem Blick.
    Erst beim Schlafengehen sagte die Mutter etwas von dem, was sie zu betrüben schien. Sie sagte es in ihrem mürrischen Ton.
    »Was hast du wieder mit Inya-he-yukan gehabt?«
    Wakiya fuhr zusammen und dachte an seine Wachträume am Sonnentag. Konnten sie unrecht gewesen sein? Er schaute fragend und bittend auf die Mutter.
    »Nun, er war

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