Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen
nicht verstanden, sprachen alle die Stammessprache. Auch Eliza Bighorn wurde munter, nachdem sie eine Flasche Coca-Cola geleert hatte.
»Inya-he-yukan, ich muß mich immer noch über dich wundern. Eines Morgens erscheinst du bei mir wie ein noch nie gesehener Elch im Sumpf, redest mir den Wakiya aus dem Hause und mich in die Angelhakenfabrik hinein. Was für ein Traum hat dich denn getrieben?«
Joe warf Byron einen Blick stillen Einverständnisses zu. Die beiden wollten nichts ausplaudern.
»Ein seltsamer Traum, Eliza. Ich habe Byron Bighorn als einen Mann gesehen, der Bäume pflanzt und Lieder dichtet, und dich im Laden, wie du für 200 Dollar einkaufst.«
»Ja, du bist ein Geheimnismann, Joe. Ich habe einen Mond lang gearbeitet und 200 Dollar erhalten. Was machte ich damit? Ich habe Wakiya ein gelbes Halstuch gekauft, damit er aussieht wie ein Rodeosieger.«
Sie packte aus.
»Du hast recht getan. Alles übrige hat er schon.«
Wakiya saß in blauen langen Niethosen und einem blauen Hemd am Tisch; die Kleidung paßte ihm genau. Joe band ihm das gelbe Halstuch um.
»In welcher Art von Wettkampf immer, Wakiya, in irgendeinem sollst du bestehen!«
Wakiya fing an, mit seiner kleinen Schwester zu spielen. Queenie gab den Kindern Pastellkreide und Papier. Beide machten sich eifrig an die Arbeit.
Joe schaute über den Tisch in die Malerwerkstatt der Kinder. »Was soll das werden, Wakiya?« »Eine Schulranch.«
»Wen hast du denn da rechts oben in die Ecke gemalt?« »Mister Haverman.« »Was tut er dabei?«
»Er ist mit seinem Ford gekommen und sagt: >Sehe schon, Mister King, daß Sie eine ausgezeichnete Schulranch aufbauen. Habe ich Ihnen das nicht schon damals geraten?< - Mit einem Mund so rund wie ein Schlauch sagt er das.«
Wakiya hatte die Gabe, Stimmen und Menschen zu imitieren. Er hatte Mr. Havermans Tonfall gut getroffen, und alle lachten.
»Und was antworte ich ihm, Wakiya-knaskiya?«
»Sie waren immer ein guter Ratsmann, Mister Haverman. Ich habe mir schon überlegt, ob wir nicht die ganze Agentur gegen eine Schulranch eintauschen.«
Die Erwachsenen schauten sich verblüfft an.
»Wie kommst du darauf, Wakiya?«
»Ich habe mir das überlegt. In der Agentur gibt es genug schwarze Schlangen mit gelben Mäulern, die Wasser speien, grünen Rasen, Bäume und schattige Plätze und Häuser. Wir brauchen nur einzuziehen. Das geht auch ohne einen Haufen Geld.«
Mary Booth griff ein.
»Wakiya, hüte deine Zunge, sonst bist du eines Tages auch da, wo es deinem Wahlvater Joe einmal gar nicht gefallen hat.«
Wakiya betrachtete Mary nachdenklich. Ihre Worte klangen ähnlich wie die der Mutter, als Wakiya zu den schwarzen Schlangen hatte gehen wollen, um seinen Durst zu löschen.
Wie merkwürdig war es um die Welten der >Geister< und der >Menschen< bestellt.
Es wurde spät. Die letzten Kerzen waren heruntergebrannt. Die Gäste brachen auf. Mary nahm Eliza Bighorn und das kleine Mädchen mit in ihr geräumigeres Haus zum Übernachten, und nach kurzem Überlegen schloß Wakiya sich der Mutter an.
Er war neugierig darauf, wie Mary Booth und die Cowboys, Bob Thunderstorm und Alex Goodman, hausten. Als er mit Mutter und Schwester auf der Schlafstatt lag und Mary auf der Couch schnarchen hörte, war ihm auf einmal alles wie ein Traum, die Mutter, die Schwester, Inya-he-yukan, Queenie, Untschida, und er wußte nicht mehr, was endlich das Wirkliche für ihn werden würde. Aber am innigsten dachte er in der Stunde vor dem Einschlafen an seinen Bruder, der zu Weihnachten nicht hatte nach Hause kommen können. Die Reise war weit, der Bruder durfte sie, wenn überhaupt, nur einmal im Jahre machen. Wakiya hatte die Augen geschlossen und sich an die Seite der Mutter gekuschelt, und im halben Schlaf war er noch bei dem Jüngeren, der jetzt in einem Bett für sich allein lag, in einem großen Saal, in dem viele kleine Jungen mit Heimweh einschliefen.
Am nächsten Morgen sah sich Wakiya mit Bob Thunderstorm zusammen auf der Ranch der Booths um, bei den Bienen, den weißen Angorakaninchen, den Schweinen und den schwarzfelligen Kühen. Als er alles gesehen hatte, auch den Kartoffelacker und ein Getreidefeld, die jetzt brach lagen, begann er bei Bob zu forschen.
»Hat Mary Booth keinen Vater und keine Mutter mehr und keinen Bruder und keine Schwester und keinen Sohn und keine Tochter?«
»Ihr Vater und ihre Mutter sind zu Besuch bei Marys Geschwistern; die leben weit weg von der Reservation.«
»Weit weg?«
»Ja, weit
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